2008/1 Ich will dich lieben, achten und ehren

In dieser Thematik greifen wir zurück auf zwei Einführungen unseres ME-Wochenendes.

Jede Liebesbeziehung durchlebt Zeiten, die typisch sind für eine Partnerschaft:

  • die Romanze oder die Zeit der Verliebtheit

Sie wird am Beginn jede Liebesbeziehung erlebt. Vielleicht haben wir auch nach unserem ME-Wochenende solch eine Zeit miteinander erlebt und erleben sie heute noch.

  • die Zeit der Enttäuschung und Entfremdung

Im Paar beginnen beide an der Liebe des anderen zu zweifeln. Die Partner verletzen einander und meiden den offenen Austausch. Streitigkeiten, Unverständnis und/oder lähmende Langeweile kommen auf. Vorwürfe vergiften die Atmosphäre. Die Unterschiede, die in der Romanze zu einem frohen Zusammensein führten, werden jetzt Anlass zum Auseinanderleben. Daraus entsteht ein Zustand des Nebeneinanders; wir sagen „verheiratete Junggesellen“ dazu. Wir ziehen uns zurück auf eine sichere Distanz und suchen anderswo unsere Bedürfnisse zu stillen. In unserer ehelichen Beziehung sind wir immer in der Gefahr, uns wie verheiratete Junggesellen zueinander zu verhalten. Die Gesellschaft suggeriert uns, realistisch zu sein und uns mit dem zufrieden zu geben, wie es ist. Und sie suggeriert uns, unsere Bedürfnisse auf dem bequemsten Weg zu befriedigen. So unabhängig wie möglich zu sein und sich nur so nah zu kommen, dass es nicht weh tut, scheint der Weg zum Glück zu sein.

Wenn wir uns diesem Einfluss entziehen wollen, müssen wir uns bewusst machen, dass neue bzw. andere Schritte nötig sind. Wir können von neuem beginnen, uns zu lieben.

Im ME-Wochenende hören wir den vielsagenden Satz: Lieben ist eine Entscheidung.

Liebe geht über das Gefühl von Sympathie und Zuneigung hinaus, denn Lieben hat immer auch mit Entscheidungen zu tun, die ich selbst treffen kann und muss. Es ist ein Weg aus der Enttäuschung heraus, indem ich eben nicht nach diesen Gefühlen handle bzw. reagiere. In diesen Entscheidungen bin ich von keiner Stimmungslage abhängig. Ich kann mich in jeder Situation wieder neu entscheiden.

Lieben kann also bedeuten, das eigene typische Verhaltensmuster zu durchbrechen, über die eigenen momentanen Gefühle hinwegzusteigen und zu versuchen, die wirkliche Not zu sehen, die hinter dem Verhalten des Partners steht und darauf einzugehen.

Für den, der Angst hat, die Liebe des Partners zu verlieren, heißt das:
Sich nicht von dieser Angst leiten zu lassen, nicht die Flucht zu ergreifen oder schnell etwas zu tun, damit der Partner gleich wieder besser gestimmt ist. Es bedeutet, an die Liebe des Partners zu glauben, auch wenn sie im Moment nicht spürbar ist, sich als verantwortungsbewusster Partner zu zeigen, den Partner mit seinen Gefühlen zu hören und anzunehmen, offen und gesprächsbereit zu bleiben.

Für den, der Angst um seinen Eigenwert hat, heißt das:
Nicht gleich zu verurteilen, den eigenen Ärger nicht spontan am Partner auszulassen, sondern ihm einen Liebesvorschuss geben. Das heißt, an seine im Grunde gute Absicht zu glauben und nicht zu unterstellen, dass er sich absichtlich oder aus Gleichgültigkeit so verhalten hat. Es kann z.B. bedeuten, zu fragen: „Wie war es denn für dich?“

Ganz konkret kann das Zuhören eine Entscheidung zum Lieben sein.
Wir Ehepaare wünschen uns ein Leben in Zuneigung und gegenseitiger Achtung. Der beste Weg dahin ist eine nahe und verantwortliche Beziehung. Konkret heißt das: sich öffnen und sich anzuvertrauen und keine Vorwürfe zu machen: Immer wieder getroffene Entscheidungen aus Liebe können das Klima und die Dynamik unserer Beziehung positiv verändern. Sie bringen uns einander näher und unser Vertrauen wird gestärkt. Wenn wir uns zur Liebe, die keine Bedingungen stellt, entscheiden, bekommen wir die geschenkte Liebe auf vielfältige Weise von unserem Partner zurück. Es lohnt sich die Mühe, sich immer wieder neu zu entscheiden. Schon im Alten Testament können wir nachlesen, wie Gott sich eine Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau vorstellt. Es ist genau diese, die wir am ME-Wochenende vernommen haben und nach der wir uns sehnen.

  • Gen. 2, 18 und 24-25
    „Dann sprach Gott, der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht…
    Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch. Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander.“
  • Vater und Mutter verlassen
    Das bedeutet, die eigenen Eltern zu verlassen, um ein eigenständiges Leben zu führen. Dazu ist eine örtliche Trennung günstig aber nicht notwendig. Und darüber hinaus ist es wichtig, in unserem Zusammenleben als Paar gewisse Haltungen abzulegen wie z.B. alles im Griff haben zu wollen, zu schulmeistern, der Überlegene zu sein, alles zu kontrollieren (Erzieherrolle) oder sich zurückziehen, alles mit sich geschehen zu lassen, trotzig zu reagieren (Kindrolle).
  • nackt sein und sich nicht schämen
    Im Vertrauen auf deine Liebe lasse ich mich von dir körperlich und innerlich anschauen. Ich verstecke weder mich noch meine Gefühle vor dir.
  • ein Fleisch werden
    Hier ist neben der körperlichen Einheit auch gemeint, dich zu lieben um deiner selbst willen ohne Bedingungen zu stellen, ohne Gegenleistungen, dir herzlich begegnen und mich an der Unterschiedlichkeit freuen. Bei dieser gottgewollten Einheit in der Ehe muss ich nicht befürchten, von dir abhängig zu werden oder mit dir zu verschmelzen. Ich entfalte und stärke meine eigene Persönlichkeit und bin begleitet von einem Partner, der an mich glaubt.

Durch die Liebe eines Paares offenbart sich Gott. Es ist eine wertvolle Berufung, verheiratet zu sein. Ehe ist auch etwas Besonderes wegen der tiefen Erfüllung, die ein Paar durch die große Vertrautheit und Nähe erfahren kann. Diese Intimität kann uns gefühlsmäßig, sexuell und geistlich erfüllen.

Trudi und Karl Lux mit Pfarrer Hermann Pint


Besinnungsfragen
  • Welche Erinnerungen habe ich an unsere Romanzezeit?
  • Was habe ich anziehend an dir erlebt?
  • Welche Vision hatte ich von unserem gemeinsamen Leben?
  • Wie habe ich die Zeiten der Enttäuschung wahrgenommen?
  • Wie reagiere ich gegenwärtig, wenn ich enttäuscht bin?
  • Wohin ziehe ich mich zurück, wenn ich Distanz suche?
  • Wo kompensiere ich das, was ich in unserer Ehe vermisse? Welche Bedürfnisse suche ich zu befriedigen?
  • In welchen Situationen zeige ich mich dir gegenüber wie eine Mutter bzw. wie ein Vater?
  • In welchen Situationen zeige ich mich dir gegenüber wie ein Kind?
  • In welchen Situationen zeige ich mich dir gegenüber nicht offen? (zeige mich nicht „nackt“)
Dialogfragen
  • Ich halte mir jeweils eine oben beschriebene Situation vor Augen und beschreibe im Liebesbrief meine Gefühle in dieser Situation.
  • Eine kürzlich erlebte Situation der Enttäuschung: Beschreibe dich und deine Gefühle so ausführlich wie möglich!
  • Wie fühle ich mich, wenn ich den Satz höre „Lieben ist eine Entscheidung“?
  • Wann und wo habe ich mich aus Liebe zu dir entschieden? Wie fühlte ich mich dabei?
  • Wie ging es mir als ich dir über enttäuschte und verletzte Gefühle hinweg meine Liebe zeigte?
  • Was hilft mir bei meiner Entscheidung, dich zu lieben? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
  • Wie geht es mir, wenn ich höre: Der Dialog ist ein konkreter Weg, mich aus Liebe für dich zu entscheiden?
  • Ich denke an ein Erlebnis besonderer Nähe zu dir. Wie geht es mir jetzt, wenn ich an diese Zeit denke?

Beitragsbild: Druckerei Kleb,
Haslach bei Wangen