2008/4 Ganz Ohr sein für dich

Für unser Miteinander ist entscheidend, wie wir einander zuhören. Im ME-Wochenende sagen wir in der 5. Einführung: Zuhören ist der Schlüssel der Kommunikation. Zu diesem Zuhören sind wir um unserer Beziehung willen ständig herausgefordert.

Im Dialog, wie wir ihn in seiner schriftlichen und mündlichen Form im ME-Wochenende kennen gelernt haben, können wir das Zuhören mit dem Herzen in besonderer Weise praktizieren, einüben und erfahren.

Die Erfahrung zeigt, dass dies aber auch im Dialog nicht automatisch gelingt. Auch hier gilt es, Hindernisse zu entdecken und zu übersteigen.

Die größten Hindernisse für uns sind die eigenen (starken) Gefühle, zum Beispiel die Angst, dass ich mit meinem Anliegen, dem was ich erlebe, …
zu kurz komme.

Diese Hindernisse lassen uns reagieren (abschalten oder selbst reden) anstatt zu hören. Beim Dialog wollen wir bewusst mit diesen Hindernissen umgehen, um eine Erfahrung der Annahme zu machen. Dabei haben wir oft besonders hohe Erwartungen. Daher ist es besonders schmerzlich, vielleicht auch frustrierend, wenn wir nicht die Erfahrung machen, gehört zu werden oder uns das Zuhören selbst nicht gelingt.

Im neuen Brückenprogramm wird dem Zuhören besondere Beachtung geschenkt. Es werden praktische Hilfen angeboten, wie das konkret umgesetzt werden kann.

Vier Hilfen für das Zuhören werden gegeben und eingeübt:

  1. mich meinem Partner zuwenden
  2. wiederholen, was ich gehört habe
  3. offene Fragen stellen
  4. danken für das Gehörte

Dies klingt für manche vielleicht zunächst etwas „technisch“, doch dieses Handeln kann in uns bestimmte Haltungen fördern und das ist letztendlich unser Ziel.

Hinderliche Haltungen für das ZuhörenFörderliche Haltungen für das Zuhören Konkrete Tätigkeiten, die beim Zuhören förderliche Haltungen entwickeln helfen
AbwendungZuwendung dich wichtig und ernst nehmen, dir meine ganze Aufmerksamkeit schenkenZugewandt sein durch Körperhaltung, Blickkontakt, Nicken, …
UnberührbarkeitBerührbarkeit dich bei mir ankommen lassen, deine Aussage in mein Herz sinken lassenWiederholen was du gesagt
hast bzw. Zurückspiegeln mit
eigenen Worten
Verschlossenheit dich nach meinen Vorstellungen festlegenOffenheit offen dafür sein, wie du wirklich bistOffene Fragen stellen
Undankbarkeit dich für selbstverständlich nehmenDankbarkeit dich als Geschenk sehenDanken für deine Offenheit und dein Vertrauen

Immer wieder machen wir die Erfahrung, dass wir mit der Tätigkeit beginnen und uns regelrecht in eine Haltung „hineinarbeiten“ können.

Besonders wenn das Zuhören schwer fällt, ist die Erinnerung an diese Handlungen für uns sehr hilfreich.

Die Bibelstelle vom Sämann soll deutlich machen, wie unterschiedlich der Boden bei einem Jeden ist, auf den das Wort fällt.

Unseren „Acker“ lockern wir mit jedem gut geführten Dialog. Der Alltag ist manchmal wie Unwetter in unserer Beziehung, wo es Trockenheit, Sturm und Regengüsse gibt.

Der Boden muss immer wieder bearbeitet werden, um offen füreinander zu sein.

Nähe und Annahme beim Austausch im Dialog zu erfahren, stärkt unsere Beziehung und hilft uns auch im Alltag immer mehr zuhörend miteinander umzugehen.

In der spontanen Situation des Alltags ist das noch einmal schwerer. Spontan reagieren wir oft unreflektiert und vermischen Gefühls- und Sachebene.

Diese Schwierigkeit erlebten wir zum Beispiel als wir im Auto unterwegs waren und ich, Siglinde, unser Telefon durch zu langes Drücken einer Taste versehentlich ausgeschaltet hatte. Den Pin hatten wir nicht mehr im Kopf. Ich, Peter, war sehr ärgerlich. Den Vorwurf, den ich Siglinde gegenüber hatte, habe ich bewusst nicht gesagt. Ich sagte jedoch, dass mich das sehr ärgert.

Spontan habe ich, Siglinde, gedacht: „Du wirst doch noch 200 km ohne Telefon auskommen.“

Fast hätte ich diesen Gedanke auch gesagt, um mich zu verteidigen. Zum Glück ist mir vorher bewusst geworden, dass Peter nur sein Gefühl gesagt hat. Ich habe angefangen, mich ihm zuzuwenden, habe ihn angeschaut und mir gesagt, dass er ärgerlich ist. Das musste ich für mich erst einmal innerlich tun, bevor ich Peter auch sagen konnte, dass ich ihn sehe und verstehe.

Das war eine gute Erfahrung, von der Haltung der Verteidigung hin zum Zuhören und zur Annahme zu kommen. Das Zuwenden und Wiederholen hat mir geholfen und war ein erster wichtiger Schritt. Sehr schnell war die Spannung zwischen uns verflogen und wir konnten mit Leichtigkeit mit der Situation umgehen. Solches Zuhören in der spontanen Situation und auch im Dialog gelingt uns natürlich nicht immer. Dass es uns manchmal gelingt, hat für uns damit zu tun, dass wir es im Dialog üben.

Wir sind gespannt, welche Erfahrungen ihr mit dem Zuhören macht und freuen uns auf eure Beiträge. Eure Erfahrungen werden uns allen wieder Motivation und Hilfe sein.

Siglinde und Peter Haubner


Dialogfragen

Es ist hilfreich, sich beim Dialog auf eine konkrete Situation zu beziehen.

Wie habe ich mich gefühlt, als du mir

  • deinen Ärger mitgeteilt hast?
  • deine Freude mitgeteilt hast?
  • deine Trauer mitgeteilt hast?
  • deine Angst mitgeteilt hast?
  • ein Problem berichtet hast?
  • etwas von deiner Arbeit berichtet hast?
  • einen Vorschlag für unser Wochenendprogramm gemacht hast?
  • einen Vorschlag für unseren Dialog gemacht hast?
  • einen Wunsch mitgeteilt hast?
  • . . . ?

Wie fühle ich mich jetzt, wenn ich dir das schreibe?

Auf welchem Gebiet fällt es mir schwer, dir zuzuhören?
Welche Gefühle bewegen mich dabei
und wie fühle ich mich jetzt, wenn ich dir das schreibe?

Auf welchem Gebiet, meine ich, brauchst du besonders mein Zuhören?
Wie fühle ich mich, wenn ich daran denke?

Besinnungsfragen

Was hindert mich beim Zuhören?
Was hilft mir beim Zuhören?
Bei welcher Gelegenheit ist mir das Zuhören nicht gelungen, wie bin ich damit umgegangen?
Was hilft mir, meine Hindernisse beim Zuhören zu übersteigen?
Was hilft mir, dich/mich anzunehmen, wenn zuhören nicht gelingt?
Was motiviert mich, gut zuzuhören?

Beitragsbild: „Josef, der Hörende“,
Bildhauer Josef Krautwald, Bonifatiuskloster Hünfeld