2009/3 Einander begleiten

Wir haben bisher die Aspekte „Einander empfangen“ und „Einander herausfordern“ beleuchtet. Der dritte Aspekt aus dem weiterführenden Wochenende „Die 7 Gesichter einer Beziehung“ lautet:

„Einander begleiten“, d.h. immer wieder empfangen und herausfordern.

Wenn ich mit jemandem (Partner, Kinder, Gemeinschaft, Gesellschaft, …) einen längeren Beziehungsweg gehen will, setzt das Treue und Durchhalten voraus.
Bei unserem Eheversprechen haben wir uns zugesagt: „Ich will dich lieben und wertschätzen alle Tage meines Lebens.“

Vor der Herausforderung steht die liebevolle Annahme, denn ohne Annahme erlebt sich der andere bedrängt, angeklagt, beschuldigt. Nach der Herausforderung steht die Freiheit. Begleiten bedeutet, den anderen frei lassen, ohne ihn fallen zu lassen, ohne zu resignieren, … Begleiten hat viel mit Treue zu tun.

Um konkret zu erfassen, was es bedeutet, einander zu begleiten, haben wir, Trudi und Karl, in der Nachbereitung des Wochenendes „Die 7 Gesichter einer Beziehung“ über die Frage nachgedacht: „Wie und in welchem Bereich bin ich durch unsere Art, Beziehung zu leben, gewachsen?“ Wir haben so unterschiedliche Bereiche beleuchtet wie Dialog, Glauben, Kirche, Verhalten, Geld, Zeit, Erholung, Kommunikation, Kinder, Gesundheit, Beruf, Sexualität, Verwandtschaft, Pension, Tod, … In diesen oder ähnlichen Bereichen haben wir erlebt, dass wir uns öfter „fest fuhren“. Aber dann griff mal der eine, mal die andere das Thema wieder auf und ließ nicht locker. Wir werden auch weiterhin damit „am Ball“ bleiben. Dadurch ermutigen und befähigen wir uns, immer wieder Schritte der Liebe zu tun.

Was wir einander im Paar schenken können, das können wir als Paar/Priester auch anderen schenken. Im angeführten Wochenende wurden wir, Trudi und Karl, durch das Team darauf aufmerksam, wie wir uns gerade im Bereich „erwachsene Kinder“ meistens auf das „Empfangen“ beschränken. Aber Empfangen ohne Herausforderung heißt „Verwöhnen“. Wir scheuen die Herausforderung und das Begleiten aus Angst vor Konfrontation.

Ein herausfordernder Vorschlag:
Schreibt euren Kindern einen Brief zu der Frage: In welchem Sinn bin ich dank dir (mein Sohn/ meine Tochter) gewachsen?

Das alles hätten wir nicht erkannt, wenn nicht liebe Menschen ihre Energie, ihre Zeit und ihre Liebe verschenkt hätten, um uns durch dieses Wochenende zu begleiten.
Guido Heyrbaut sagte als erster verantwortlicher ME-Priester in Belgien: „Wenn wir nicht in der Lage sind, die Paare nach dem ME-Wochenende zu begleiten, dann dürfen wir kein Wochenende starten. Es ist zu vergleichen mit Eltern, die Kinder in die Welt setzen und nicht in der Lage sind, sie zu begleiten.“
Eine solche Aussage macht deutlich, dass ME-Wochenenden immer von einer Gemeinschaft aus geplant und begleitet werden müssen. Paare und Priester werden gerufen, den gemeinsamen Zielsetzungen und Werten innerhalb der Gemeinschaft Raum und Gestalt zu geben. Das ist auch der Fall für die Begleitung der neuen Paare, die aus dem Wochenende kommen. Für diese werden „Brückenabende“ oder auch „Begleitabende“ von der Gemeinschaft angeboten nach einem Konzept, das ständig verbessert wird.

Wir, Trudi und Karl, sind nach mehr als 30 Jahren immer noch in der ME-Gemeinschaft. Die Urvoraussetzung dafür war sicher unsere Teilnahme am ME-Wochenende. Aber genauso wichtig war unser „Begleitpaar“. Es hat uns am Ende des ME-Wochenendes abgeholt, es hat uns angerufen, uns besucht, von sich erzählt und uns zu Treffen der Gemeinschaft mitgenommen.

Wir sind Gemeinschaft. Die Qualität der Liebe unserer ME-Gemeinschaft kann man an der konkreten Bereitschaft und Fähigkeit ablesen, andere zu begleiten. Wo „Empfangen“, „Herausfordern“ und „Begleiten“ wirklich gelebt werden, wird Neues möglich.

Begleiten heißt, sich daran erinnern, dass Gemeinschaft auch von meinem Beitrag der Aufmerksamkeit, der Liebe und meiner aufmunternden Präsenz abhängt.

Begleiten heißt: hinzugehen zu den angebotenen Terminen, dort andere zu empfangen, sie zu bestätigen und ihnen zuzuhören. Weiterhin sie einzuladen, Schritte im Paar zu gehen, von denen wir erzählen, wie befreiend wir sie erfahren haben. Je mehr Liebe wir anbieten, desto reicher ist das Leben in der Dialoggruppe und in der größeren Gemeinschaft.

Alles Leben ist Begegnung (Martin Buber). In der Begegnung miteinander (im Paar, in der Dialoggruppe, in der Gemeinschaft) beschenken, bereichern, befruchten wir uns gegenseitig. Wir dürfen erleben, dass ein ehrliches und respektvolles Begleiten uns neue Horizonte eröffnet und uns für Erfahrungen weit werden lässt, zu denen wir bisher keinen Zugang hatten.

Das Evangelium sagt: Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt.

Trudi und Karl Lux sowie Pfarrer Hermann Pint


Besinnungsfragen
  • Wie haben wir unseren Auftrag der Begleitung von Paaren im und vor allem nach dem ME-Wochenende wahrgenommen?
  • Will ich mit meinem Partner dafür sorgen, dass das zu begleitende Paar Ermutigung und tiefes Interesse unsererseits erfährt?
  • Ist die Begleitung der Paare eine Sorge unserer Gemeinschaft vor Ort? (Wir denken an Aussagen von Paaren wie: „Hätten wir uns nicht selbst gekümmert, hätten wir nach dem ME-Wochenende keinen Kontakt zur Gemeinschaft bekommen…“; „Unser Begleitpaar hat uns nie persönlich kontaktiert …“ )
  • Sind wir bereit, als Paar ein Zeichen zu setzen? Wollen wir uns wirklich engagieren und den Paaren unsere Begeisterung, unseren Glauben an die Wirkung des Dialoges und unsere Erfahrung daraus schenken? Wie klar ist uns der Dienst als Begleitpaar und wie klar sind uns die Aufgaben, die damit verbunden sind?
  • Wenn Verantwortliche in ihrem Dienst (ME-Wochenenden, weiterführende Wochenenden, Verantwortlichentreffen, Europarat…) für die Gemeinschaft unterwegs sind, kann ich Zeichen des Begleitens geben. Wie wollen wir damit umgehen?
Dialogfragen
  • Meinen Partner immer wieder neu empfangen und herausfordern: Kann ich dieses Begleiten als einen Dienst an unserer Beziehung ansehen? Wie fühle ich mich dabei?
  • Den Weg mit meinem Partner gehen, heißt „begleiten“. Wie fühle ich mich bei meinem Handeln?
  • Ich brauche dein Begleiten, damit unsere Beziehung lebendig bleibt. Wie fühle ich mich bei diesem Gedanken?
  • Du begleitest mich in meinen beruflichen Schwierigkeiten. Wie fühle ich mich?
  • Ich begleite dich im Glauben. Welche Gefühle löst das bei mir aus?
  • Wo und wann habe ich es schwer mit dir und habe trotzdem nicht aufgehört an dich zu glauben? Wie fühle ich mich dabei?
  • Worin und wie hat deine Begleitung mir geholfen, einen Schritt weiterzukommen? Wie fühle ich mich?
  • In welchem Punkt schätze ich deine Geduld mit mir? Wie fühle ich mich?
  • Wovon bin ich durch dein liebendes Durchhalten geheilt worden? Wie fühle ich mich?
  • Wenn mir manchmal Fehler unterlaufen, wie fühle ich mich, wenn ich dann deine Liebe spüre?
  • In welchem Bereich bin ich dank deiner durchhaltenden Liebe gewachsen? Wie fühle ich mich?
  • Wir werden gefragt, Begleitpaar zu sein. Welche Gedanken und Gefühle löst das bei mir aus?
  • Wie waren meine Erfahrungen mit den Brückenabenden/Begleitabenden? Wie fühle ich mich, wenn ich daran denke?
  • Wenn wir uns in der ME-Gemeinschaft begleitet erfahren, dann schenkt uns das neue Kraft. Wie fühle ich mich?
  • Weggefährte sein wie Jesus bei den Emmausjüngern (Lukas 24;13-35). Kann ich mir so mein Begleiten vorstellen, und was lebe ich dabei?
  • „Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen sind, da bin ich mitten unter ihnen“. Was bedeutet mir diese Zusage, und wie empfinde ich diese Begleitung Jesu?

Titelfoto: „ Emmaus“ von Brooks Gerloff, Janet, © VG Bild-Kunst, Bonn 2009
Ölgemälde im Kreuzgang der Benediktinerabtei Kornelimünster, Aachen