Das Sakrament „leben“ wir, wenn wir so gesinnt sind und so handeln wie Christus. Sakrament leben heißt: Zeichen sein für das, was Christus getan hat. Auch beim Ehe- und Weihesakrament geht es um eine Wesensverwandlung: Verwandlung von der Lebensweise der Welt in die Lebensweise Jesu.
Wir beide, Waltraud Koch-Heuskel und Wilfried Koch, haben uns dafür einen Satz aus dem Epheserbrief gewählt: 5.Kapitel, Vers 21 (jenes Kapitel, das von Vers 25-32 auch in unserem ME-Wochenende am Sonntagmorgen vor dem langen Dialog gelesen wird). Im Vers 21 heißt es: „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“. (Klaus Berger übersetzt: „Und unterwerft euch einer dem anderen in Ehrfurcht, als gälte es Christus!“). Wir laden ein, das, was Paulus hier für die Eheleute sagt, auch für das Dasein im Weihesakrament bzw. im geweihten Leben zu sehen.
Wir spürten zunächst Abneigung gegen das Wort „unterwerfen/einander unterordnen“. Sind wir in der Ehe nicht über solche alten, verstaubten Reglementierungen hinaus? Sind nicht auch die Priester längst frei geworden von einer Unterwerfung unter den Bischof und die Kirche, die durch ihn spricht? Hat nicht die einseitige Unterwerfung zu verkrampftem Leben geführt (die Frau unter der Oberhoheit des männlichen Willens / oder auch umgekehrt; Priester, Diakone, Ordensleute unter dem „Regiment“ des Bischofs, des Ordinariates, des Ordensoberen, der Gemeinde mit ihren Gremien)?
Unsere menschliche Mentalität drängt uns ja, auch in der Ehe, dem andern möglichst übergeordnet zu sein, ihn zu bestimmen, ihn zu drängen, damit er so ist wie das Bild, das ich mir von ihm gemacht habe. Laut Paartherapeuten kommt in den meisten Ehen einer von beiden in der Verwirklichung seiner Bedürfnisse zu kurz. Und meist ist der bestimmende Partner der felsenfesten Überzeugung, dies wäre in seiner Ehe ausgeglichen. Und der „Unterlegene“ spürt es oft nicht einmal mehr.
Beispiele:
- Ich lege die Urlaubsziele fest oder das abendliche Fernsehprogramm.
- Ich glänze vor dir mit meinem Wissen und lasse dich den Schüler sein, korrigiere dich wie mit dem Rotstift.
- Einer ist immer der Meister und der andere sein Lehrling.
- Ich bin in der Elternrolle und du bist das unmündige „Kind“, das ich führe und kontrolliere.
- Die angestrengten Versuche, dich nach dem Bild zu formen, das ich mir von dir zurecht gelegt habe.
- Der eine, der immer am PC die E-Mails abruft, ist im Vorteil – der andere im Nachteil und bekommt manches nicht mit …
Wir beide kennen diese genannten Beispiele aus eigener Erfahrung.
Doch dann fiel uns das Wort in die Augen:
„Einer dem andern bzw. einander“! Wie ist das denn, wenn beide dies tun: sich dem andern unterordnen/unterwerfen? Plötzlich entwickelte sich ein Zugang.
Unsere Abneigung gegen diesen Auftrag „Ordnet euch einander unter!“ löste sich erst auf, als wir uns erinnerten, dass Christus genau dies und nichts anderes getan hat. Er hat sich uns Menschen und der Erde untergeordnet, um uns nahe zu sein, um uns zu dienen. Er hat uns so genommen, wie wir sind, um uns zu neuem Leben zu verwandeln. Er, der das Haupt ist (wie der Epheserbrief sagt) hat sogar „sein Haupt geneigt“ – bei der Fußwaschung bis zum Boden – und dann am Kreuz, um uns zu dienen. Indem er sich unterordnete, hat er uns erlöst und befreit, uns verwandelt. Deshalb ist Unterordnung zwar ein zunächst unbequemer Begriff, aber er bekommt von Christus her eine neue Bedeutung. Es lohnt sich, ihn für das Ehe- und Weihesakrament zu durchleuchten, denn sein Ziel ist: neues Leben, Wesensverwandlung!
So gesinnt sein wie Christus (dies ist der Auftrag aus beiden Sakramenten!) bedeutet, in seine Abstiegsbewegung einzustimmen: Ich komme vom „über dem anderen sein“ herunter zum anderen, ordne mich seinem Rufen nach Leben und Entfaltung unter und schaue, was er/sie zum Leben nötig hat. Ich nehme den anderen auch mit seinem manchmal für mich leidvollen Sosein an. Ich verliere dadurch nichts, sondern ich gewinne: den anderen und auch mich sowie ewiges Leben.
Und umgekehrt: Ich darf mich dem anderen auch mit meinem Schwachsein anvertrauen, ich akzeptiere seine Annahme, seine Hilfe.
Auch dies ist „unterordnen“:
- dem anderen gestatten, meine Hilfe und Ergänzung zu sein (Genesis 2,18), durch die ich erst ganz werde
- ihm sagen: Ich brauche dich, auch deine Andersartigkeit, die mich eigentlich stört. Ich erkenne deine Fähigkeiten an.
Außerdem: Wo beide zum anderen herunterkommen entsteht mehr „Gleichheit“ als in manchen modernen Emanzipationsideologien. Von Weihnachten her wissen wir: Gott ist am ehesten zu finden in der Kniebeuge, weil er selbst „heruntergekommen“ ist. Dies kann auch gelten für die Beziehung. Denn, wo finde ich den anderen? Ich finde ihn, wenn ich mein Haupt (meine Überordnung, mein Besserwissen, meinen Stolz….) neige und bei ihm/ihr ankomme! Beziehungskniebeugen! Einander in Ehrfurcht begegnen!
Ein Beispiel von uns:
Waltraud fragt mich (Wilfried): „Hast du auch den Anruf schon erledigt?“ Ich erlebe diese Frage als Kontrolle und spüre zunächst Ärger. Ich mache sie deswegen herunter, von oben herab. Doch dann entdecke ich: Wie gut war es, dass sie mich erinnert hat; sie hat Sorge getragen für mich und jene, die auf meinen Anruf warteten. So kann ich mich aufraffen und ihr danken für ihre Intervention, die letztlich mir geholfen hat. Verwandlung von Ärger in Dankbarkeit. Im Danken stehe ich wieder auf ihrer Stufe. – Umgekehrt:
Wilfried ist durch die Art und Weise, wie ich (Waltraud) ihn erinnere, verletzt. Ich habe von oben herab aus der Position des immer-muss-ich-dich-erinnern, immer-bist-du-unzuverlässig gehandelt. Im Liebesbrief entdecke ich, dass nicht mein Tun „schlecht“ war, sondern, weil ich von oben herab getadelt habe. Ich kann Wilfried dies im Austausch sagen und dies gibt mir Kraft, beim nächsten Mal auf gleicher Ebene mit ihm zu sein.
So können wir den biblischen Begriff des „einander-unterordnens“ in eine neue Sprache gießen, mit der wir das Sakrament zum Sprechen bringen:
In einer christlichen Ehe geht es nicht darum zu schauen: „Was muss der andere mir geben, damit es mir gut geht?“, sondern: „Was brauchst du von mir, damit es dir gut geht?“ Wenn Klaus Berger übersetzt: „als gälte es Christus“ dann liegt für Glaubende hier noch ein weiteres Ziel bereit: Im so verstandenen Unterordnen geben wir Christus die Ehre. Dies zu tun ist ein weiterer „Auftrag“ des Sakramentes.
Wir wissen aus eigenem Erfahren: Die geschilderte Denkweise steht quer zu unserer Natur; und wenn es uns gelingt, gegen diese Natur zu handeln, dann ist es letztlich nur mit der Gnade Gottes und unter dem Geleitschutz des Gebetes möglich sowie unserem Dialog. Er ist das Werkzeug, damit sich diese andere Lebensweise (Wesensverwandlung) in uns ausbreiten kann. Wir beide haben erlebt, wie die Eigenreflexion, die im Liebesbrief passiert, uns den Spiegel vorgehalten und uns zur Verwandlung angeleitet hat.
Wir beide haben in mehreren Liebesbriefen diesen Themenbereich „beschrieben“ und im Austausch spannend entdeckt, welcher Reichtum in dieser Denkweise für unsere Beziehung und für jeden von uns liegt. Auch erkannten wir, welche hilfreiche Anfrage darin verborgen ist. Im Grunde vertiefen wir mit diesem Aspekt den Satz „Lieben ist eine Entscheidung“ auf eine überraschende, neue Weise. Wir möchten euch ermutigen, euch dieser Deutung von „Unser Sakrament leben“ zu stellen und haben dazu eine Reihe von Fragen entwickelt, mit denen wir das nicht einfache Thema in den Alltag übersetzen können.
Wir wünschen euch viele frohe Erfahrungen, Vertiefungen und Verwandlungen dabei. Und wir glauben daran: Wenn wir unsere Ehe derart innerlich verwandeln (lassen), dann strahlt das wie von selbst auch nach außen und unser Sakrament wird zum Leuchtzeichen.
Besinnungsfragen:
- Im Wochenende hören wir „Lieben ist eine Entscheidung“. Was bedeutet hierbei das „einander unterordnen“?
- Wenn ich auf die Zeit der Romanze schaue: Wie war damals das „einander unterordnen“? Leichter / schwerer?
- Einander unterordnen: Kann das unsere Ehe zum Aufblühen bringen? Nenne konkrete Situationen!
- Welche Früchte unserer Beziehung konnten wachsen aus der Haltung des gegenseitigen Unterordnens?
- In welchen Bereichen hast du die Oberhand, in welchen habe ich sie? Ist das für mich so in Ordnung? Entfaltet das unser Leben?
- Wo kann ich deine Hilfe, deine Ergänzung annehmen, damit ich selber ganz werde?
- Wo schaue ich voller Ehrfurcht auf deine Andersartigkeit?
- In welchen Begegnungsbereichen brauchst du mein „unterordnen“?
- Kann ich deinetwegen auf liebgewordene Gewohnheiten verzichten? Welche sind das?
- Wenn ich mich dir unterordne, dann kann ich dir nicht mehr in der Elternrolle begegnen. Wie kann dies konkret aussehen?
- Ich als Priester/Ordensangehöriger ordne mich Gott um eines größeren Zieles willen unter. Welche Bereiche betrifft das (z.B. Sexualität)?
Waltraud Koch-Heuskel und Wilfried Koch
Dialogfragen
- Wie fühle ich mich, wenn ich das Wort „einander unterordnen/unterwerfen“ höre?
- Wie fühle ich mich, wenn dieses „einander unterordnen“ unter dem Aspekt „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ geschieht?
- Wenn ich auf mein Zuhören schaue: Was bedeutet es mir da, mich dir unterzuordnen? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Was bedeutet es in unserer Sexualität, uns einander unterzuordnen? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Was heißt es konkret, einander unterzuordnen, wenn wir es schwer miteinander haben? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- In welcher Weise bin ich manchmal „über dir“, der Bestimmende? Wie fühle ich mich, wenn ich das entdecke und beschreibe? Welchen verantwortlichen Schritt möchte ich deswegen tun?
- Was brauchst du jetzt von mir, damit es dir gut geht? Wie fühle ich mich dabei?
- Welche schwache Seite von mir will ich dir vertrauensvoll mitteilen und will um deine Annahme dieser Seite bitten? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Welches Anderssein von dir möchte ich um deinetwillen annehmen? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Was möchte ich an mir ändern, damit es dir gut geht? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Was möchte ich dir geben, damit es dir gut geht? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Nach einem Streit sind wir auf Versöhnung angewiesen. Was bedeutet in einer solchen Situation „einander unterordnen“ und wie fühle ich mich, wenn ich mir das vorstelle?
- Wie fühle ich mich, wenn ich dir zuliebe etwas zurückstelle, was mir sehr wichtig ist?
Für Priester und Ordensangehörige:
- Wenn ich es schwer habe mit der Gemeinde, dem Bischof, der Kommunität: Was heißt es konkret, mich dann unterordnen in der Ehrfurcht vor Christus? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
- Wenn ich voll Ehrfurcht auf die Andersartigkeit der Gemeinde/Kommunität schaue: Kann ich das als Ergänzung und Bereicherung annehmen? Wie fühle ich mich bei meiner Antwort?
Beitragsbild: Ausschnitt eines Fotos, das von Dr. Johannes Hintzen, Ordinariat des Bistums Dresden-Meißen, zur Verfügung gestellt wurde.