2012/4 Verzichten

Verzichten – das letzte „V“ in der Reihe der vier großen „V“, die laut Blacky Fuchsberger Pfeiler für seine Ehe waren.

Das Wort „verzichten“ hat laut einer Internetseite 183 Synonyme in 21 Synonymgruppen. Das wäre ein möglicher Zugang, doch wir wollen keine theoretische Abhandlung schreiben, sondern wollen die Botschaft, die uns das WE geboten hat, vertiefen, denn sie ist für uns der Schlüssel zu einem glücklicheren und erfüllteren Leben.

Verzichten hängt mit Prioritäten-Setzen zusammen. Wer Prioritäten setzt, verzichtet ganz klar auf andere Möglichkeiten, die er nicht berücksichtigen will. Darum stellt sich die Frage:
Wozu tue ich das, was ich tue? D.h.: was ist mein/unser Ziel?

Unser Wochenende war ein unbeschreibliches Erlebnis: unser Traum eines glücklichen und erfüllten Lebens im Paar war plötzlich wieder ganz lebendig und wir hatten ein Werkzeug kennengelernt, das uns half, ihn wach zu halten. Wir entschieden uns, Stütze in der ME-Gemeinschaft zu suchen.

Jedes Mal, wenn wir uns für einen 10/10 entscheiden,

verzichten wir auf 20 Minuten

  • nichts tun, ausruhen, herumdösen
  • lesen, Fernsehen schauen, Musik hören
  • Garten- oder Hausarbeit erledigen
  • am Computer arbeiten/spielen
  • und, und, und …

verzichten wir auf

  • verharren in eigenen Vorstellungen undErwartungen
  • festhalten an vorgefertigten Meinungen
  • alleine bleiben mit unseren Ängsten
  • ….

Damit diese grundsätzliche Entscheidung konkret wird, muss sehr oft einer von uns den ersten Schritt machen. Spätestens hier wird deutlich, dass dies ganz elementar mit meinem Umgang mit meinen Grundbedürfnissen (geliebt werden und autonom sein) zusammenhängt.

Ich (Hermann) sitze mit Karl und Trudi im Zug auf der Heimreise nach dem „Zeitungstreffen“. Ich lehne mich nicht zurück und schlafe, obwohl ich müde bin und denke, dass die beiden auch ihre Ruhe haben wollen, sondern entscheide mich zu reden und zu schreiben. Ich verzichte auf ein Entspannungs-Sudoku, und ich verzichte darauf, mich von meinem Bedürfnis nach Geliebtsein leiten zu lassen und zu schweigen. Ich bringe mich ein und schreibe an diesem Artikel. Ich öffne mich, erzähle und nähre mein Bedürfnis nach Eigenwert und nach Geliebtsein. Ich ernähre so beide Grundbedürfnisse auf ausgeglichene Weise und erfahre mich in Harmonie und Verbundenheit.

Wir beide (Trudi und Karl) lebten seit einiger Zeit starke Gefühle in Bezug auf eine Einladung zu einem Fest. Die Einladung wurde zu den „noch zu behandelnden Dingen“ gelegt. Da blieb sie liegen wie eine glühende Kohle in der Asche und unmerklich entschwand unsere Verbundenheit. Ich, Karl, wollte das Thema nicht ansprechen aus Angst, Trudi dadurch zu beeinflussen. Ich, Trudi, erwartete, dass Karl mich darauf ansprechen würde und mir zuhörte, denn er müsste doch wissen, wie sehr mich diese Sache belastet.

So blieben wir gefangen: Ich, Karl, indem ich meinen Eigenwert nicht einbrachte und nur lieb sein wollte, ich Trudi, indem ich meine Sehnsucht nach Geliebtsein und in den Arm genommen werden nicht aussprach. Im Dialog erkannten wir beide unser Verhaltensmuster und konnten uns öffnen.

Verzichten hat viel mit Loslassen zu tun. Und hier schließt sich auch der Kreis, denn hat nicht auch Verstehen, Vertrauen und Verzeihen mit Loslassen zu tun? Wenn wir unser Gefangen-Sein in uns selbst loslassen können, um auf den anderen zuzugehen, ihm zuzuhören, uns ihm anzuvertrauen, dann erfüllt sich unsere Sehnsucht nach einer bewussten, tiefen, glücklichen Paarbeziehung – bzw. für mich – Hermann – meine Sehnsucht nach einer genau solchen Beziehung zu den Menschen.

Trudi, Karl und Hermann


Besinnungsfragen:
  • Was löst bei mir spontan das Wort „verzichten“ aus?
  • Was habe ich für Erfahrungen gemacht?
  • Wenn ich Zeit mit dir/mit den Kindern/mit den Enkelkindern verbringen will, müssen manchmal notwendige Arbeiten warten, z.B. Rasen mähen, Unkraut zupfen, Fenster streichen, … Wie entscheide ich mich spontan?
  • Wo konnte ich die Erfahrung machen, dass ein Verzicht mir einen Mehrwert gebracht hat?
  • Kann ein freiwilliger Verzicht mir mehr Leben geben?
  • Ein Verzicht belastet mich. Was erlebe ich und welche Schritte will ich machen?
  • Wo erlebe ich mich bedroht, missverstanden, wertlos, be- oder verurteilt, …
  • Wo und wann bin ich gefangen in mir und habe Sehnsucht nach Freiheit? (in welchen Lebensbereichen)
Dialogfragen:
  • Ich verzichte auf etwas und entscheide mich für eine andere Priorität. Wfim?
  • Beim Verzichten habe ich eine Alternative entdeckt, die mir mehr Leben gibt. Wfim?
  • Auf … zu verzichten, bedeutet für mich eine arge Herausforderung. Wfim, wenn ich daran denke?
  • Ich verzichte auf … dir zuliebe. Wfim?
  • Wenn Du nach Hause kommst unterbreche ich meine Arbeit, um Dich herzlich zu empfangen. Wfim?
  • Ich verzichte auf mein Schmollen und konsequentes Schweigen nach einem Streit. Wfim?
  • Ich will aus meinen schweren Gedanken über Dich aussteigen und trage sie dem Herrn vor: „Komm mir zu Hilfe“. Wfim?
  • Ich verzichte auf Kritik – auf einen Kommentar über eine Eigenheit von Dir, wo ich es schwer mit habe. Wfim?

Sehr hilfreich ist der vertiefte Dialog: spontane Gefühle, spontane Gedanken, körperliche Reaktion, welche andere Möglichkeiten sehe ich (Grundbedürfnisse), der richtige (bessere) Schritt.

Titelbild: Rita Karrer, Malerin, Regensburg