2020/3 Prisca und Aquila, mit Paulus Zeugen des neuen Glaubens

„Grüßt Prisca und Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, die für mein Leben ihren eigenen Kopf hingehalten haben; nicht allein ich, sondern alle Gemeinden der Heiden sind ihnen dankbar. Grüßt auch die Gemeinde, die sich in ihrem Haus versammelt“. (Brief an die Römer 16,3-5)

Wer sind Prisca und Aquila, die von Paulus offensichtlich so hoch geschätzt werden, dass er sie in fast allen Grußlisten seiner Briefe (vgl. 1. Korintherbrief 16,19 und 2. Timotheus 4,19) namentlich erwähnt?

Sie sind ein Ehepaar, das in Rom lebt und zum neuen Glauben an Christus gekommen ist. Als Kaiser Claudius aufgrund von Unruhen alle Juden und Judenchristen aus Rom ausweist, wandern sie nach Korinth aus. Dort gehen sie ihrem gemeinsamen Beruf, dem Zeltmachen, nach. Auch Paulus kommt nach Korinth. Er hat wohl schon von den beiden gehört und da auch er Zeltmacher von Beruf ist, schließt er sich den beiden an. So entsteht eine Arbeits- und Lebensgemeinschaft, die sich vor allem darin auszeichnet, dass Paulus und Prisca und Aquila dem neuen christlichen Glauben angehören und diesen sehr aktiv ausüben. Offensichtlich bildet sich eine kleine Gemeinde im Haus der beiden, zusammen mit Paulus.

Nach Darstellung der Apostelgeschichte reisen Prisca und Aquila dann zusammen mit Paulus von Korinth nach Ephesus. In Ephesus entscheidet sich Paulus immer mehr, in der Synagoge und an öffentlichen Plätzen zu verkünden. Von Prisca und Aquila wird in Ephesus eine besondere Begegnung erzählt: Sie nehmen den redekundigen und in der Schrift bewanderten Missionar Apollos in ihr Haus auf, hören ihm zu und „legen ihm den Weg Gottes noch genauer dar“. (Vgl. Apostelgeschichte 18)

Prisca und Aquila lehren also ebenfalls und sind in der glaubenden und suchenden Auseinandersetzung mit dem neuen Glauben.

Paulus mit Prisca und Aquila sind im modernen Sprachgebrauch ein mobiles, missionarisches Team. Sie unterstützen sich gegenseitig, sie teilen die Arbeit, das Haus und den Glauben miteinander und sie ziehen miteinander weiter, auch um das Wort Gottes zu verkünden.

Was macht die beiden so einzigartig, dass die Apostelgeschichte sie mit Namen nennt, von Ihnen erzählt, und sie von Paulus immer wieder namentlich erwähnt werden? Das sind ihr gemeinsamer Glaube und ihr gemeinsames Bezeugen dieses Glaubens. Sie haben neben dem gemeinsamen Beruf ihren neuen Glauben zu ihrem gemeinsamen Projekt, zu ihrem gemeinsamen Engagement gemacht.
So können sie auch Paulus großzügig in ihr Haus aufnehmen und ihr Haus für alle anderen öffnen, die zum neuen Glauben gekommen sind. So entsteht eine christliche Hausgemeinde.

In den Grußlisten und Erzählungen wird viermal Prisca zuerst genannt, dann Aquila. zweimal wird Aquila zuerst genannt.
Hier gibt es keine Vorherrschaft des Mannes oder eine Dominanz der Frau. Damit wird die Beziehung dieses Ehepaares zueinander entgegen dem herrschenden patriarchalischen Gesellschaftsbild vorgestellt: sie sind gleichwertig, gleichberechtigt und entsprechen so dem ursprünglichen biblischen Bild der Erschaffung von Mann und Frau als Ebenbild Gottes.

Prisca und Aquila sind für uns heute in mehrfacher Hinsicht herausfordernd und vorbildlich.

Uns beide, Marianne & Paul, spricht ihr Verhältnis zu Paulus an. Sie sind zusammen mit dem Prediger und Lehrer ein Team, das den Glauben lebt und verkündet.
Sie leben und arbeiten zusammen, sie werden den neuen Glauben miteinander diskutieren und austauschen und sie ergänzen sich in der Verkündigung des neuen Glaubens. Während Paulus offensichtlich öffentlich predigt, versammeln Prisca und Aquila die Anhänger des neuen Glaubens in ihrem Haus zu Versammlungen und Gottesdiensten und unterrichten auch Apollos, den sie „noch genauer“ in den christlichen Glauben einführen. (Apostelgeschichte 18, 26)

Im Team miteinander unterwegs sein ist eine Erfahrung, die wir bei ME seit vielen Jahren machen dürfen. Wir sind sehr geprägt von der Erfahrung, die wir mit Bernd Kordes und mit Thomas machen dürfen und möchten euch zusammen mit Thomas davon erzählen:

Ich, Thomas, erlebe die Gastfreundschaft von Marianne und Paul und vor allem den offenen Austausch mit beiden über uns selbst, unsere Gefühle und Grundbedürfnisse, unseren Glauben und je eigene Berufung immer wieder als großes Geschenk. In dieser Hauskirche in Wassenach habe ich ein Obdach für Leib und Seele. Dankbar denke ich zurück an Zeiten, wo ihr mir sensible Seelsorger gewesen seid: beim Wieder- und Neuentdecken meiner Berufung als Priester, beim Silbernen Priesterjubiläum, bei der Beerdigung meiner Mutter. Und umgekehrt konnte auch ich euch und euren Familienangehörigen Seelsorger sein. Konkret denke an die Feier der Goldenen Hochzeit von Mariannes Eltern, an die Beerdigung ihres Vaters, aber auch das Mut zur Liebe – Wochenende, an dem euer Philipp mit Lilly teilgenommen hat und ich als Teampriester dabei war.

Lieben als Entscheidung, den ersten Schritt zu tun, auf andere zuzugehen, das habe ich von Marianne & Paul gelernt. In meinen Anfängen bei ME hatte ich mich dagegen gewehrt mit dem Einwand „Ich kann doch als Priester nicht ‚die Gemeinde‘ lieben“. Ihr, liebe Marianne & Paul, habt mich – ähnlich es Prisca und Aquila bei Apollos getan haben „genauer“ gelehrt, was Lieben als Entscheidung heißt: nämlich die konkreten Menschen – so wie sie sind – in der Gemeinde zu lieben.

Prisca und Aquila sind für mich, Marianne, erst einmal ein unspektakuläres Ehepaar. Keine besonderen Berufungsgeschichten, kein Martyrium. Aber ein Paar, das zusammenarbeitet und sich seines gemeinsamen Glaubens so sicher ist, dass sie dafür Rom verlassen und später auch Korinth.
Mich spricht besonders ihre Offenheit anderen gegenüber an: Offenheit für Paulus, für Apollos und für die Gemeinde in ihrem Haus. Die Offenheit für Paulus und die Zusammenarbeit mit ihm erinnert mich an unser Teamsein in der ME – Gemeinschaft und an die lange Beziehung mit Bernd und Thomas.

Mit Bernd haben wir sehr stark den Aspekt des Gemeinschaftsaufbaus gelebt. Wir wollten weitergeben, was wir selbst erfahren hatten. Neben aller Begeisterung für die gemeinsame Sache haben wir auch miteinander gerungen und gestritten über den richtigen Weg.
Daraus ist dann Neues entstanden, z.B. die Exerzitien mit Kinderbetreuung, die Verbreitung des Wochenendes „Mut zur Liebe“ und anderes mehr.

Mit Thomas dürfen wir ganz stark das Zusammenleben erfahren. Auch wenn wir nicht in einem Haus oder am gleichen Ort wohnen, so teilen wir doch viel aus unserem Leben miteinander und das war mir besonders in schweren Zeiten immer eine Stütze. Gemeinsam über den Glauben austauschen, Gottesdienste miteinander feiern und sich für die jungen Paare engagieren – all das tun wir seit vielen Jahren miteinander. Bei alldem war mir unsere Unterschiedlichkeit in unserem Lebensstand immer eine gute Herausforderung und Ergänzung.

Bereits als ich, Paul, Marianne kennenlernte, war ihr Offenheit ein starkes Anliegen. Ich erinnere mich gerne an den selbstgestalteten Kalender, den sie mir damals schenkte: die Bilder mit dem Brot auf dem gedeckten Tisch, die weit offen stehende Haustür, Schnappschüsse von gemeinsamen Unternehmungen… auf diesen Lebensstil wollte ich mich gerne einlassen!

Ich erlebte die Beziehung zu Bernd und Thomas als sehr gleichwertig, auch wenn das bei mir etwas Zeit gebraucht hat. Manchmal kam ich mir im Team vor wie das ‚fünfte Rad am Wagen‘, besonders wenn Marianne mit ihnen theologisch und pastoral scheinbar davongaloppierte. Dabei war ich es, der mich selbst zurücknahm und mir weniger bedeutend vorkam. Der Austausch darüber und die Zusage, dass ich Teil bin und mit meinen Beiträgen wichtig bin, haben mir zunehmend geholfen das für mich so anzunehmen. „…ihr alle seid einer in Jesu Christus“, im Brief an die Galater wird der Glaube an Jesus Christus beschrieben, der alle Unterschiede aufhebt.

Dass ich, Marianne, mit Paul zusammen ein gemeinsames Ehe–Projekt habe, verdanken wir der Erfahrung des ME – Wochenendes. Diese Erfahrung hat uns auf die Spur gebracht, gemeinsam Entscheidungen zu treffen und uns gemeinsame Engagements zu suchen.
Unser offenes Haus ist eines davon. Es ist unsere gemeinsame Entscheidung, dass wir Platz haben möchten für die, die mit uns unterwegs sein möchten, die mit uns feiern und mit uns glauben möchten. Das macht einen großen Teil unseres Lebens aus, das ist unser Charisma und Engagement: an unserem Ort, in unserem Haus anderen ein Willkommen zu geben.

Ein anderer Aspekt, der uns sehr anspricht, ist der der Partnerschaftlichkeit. Partnerschaftlichkeit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung sind in unserer Ehe von Anfang ein hoher Wert gewesen.

Das ist auch biblisch begründet: als Mann und Frau schuf Gott den Menschen.
Ich erlebe das in unserer Ehe als durchtragendes Leitmotiv: einander ernst nehmen, Entscheidungen gemeinsam treffen, sich dem Tempo des anderen anpassen – auch wenn es immer wieder Situationen gibt, in denen das nicht gelingt.
Unsere Partnerschaftlichkeit drückt sich für mich am stärksten in der gemeinsamen Erziehungszeit aus, die wir für uns gestaltet haben, als es dafür noch keinen gesellschaftlichen Konsens gab. (Erziehungsurlaub statt Elternzeit!)

Als ich, Paul, Anfang der 90er Erziehungsurlaub nahm, war das noch sehr ungewohnt und ich durfte mir einiges von Kollegen und Vorgesetzten anhören. Es war für mich/uns aber selbstverständlich, dass die Entscheidung für Familie auch bedeutet, beide für die Pflege und Erziehung unserer Kinder da zu sein. Diese sieben Jahre möchte ich nicht missen, sie haben ein starkes Band mit unseren zwei Söhnen geflochten und als Familie in dieser Phase schon die Partnerschaftlichkeit in der Beziehung erleben lassen.

Mich, Thomas, fasziniert an Prisca und Aquila wie sie zusammen mit Paulus ihren Glauben öffentlich bezeugen und dabei ihre je eigenen Erfahrungen beisteuern. Insbesondere bin ich dankbar dafür, dass wir gemeinsam und einander ergänzend Glaubenszeugen sein können. Das erlebe ich immer wieder im Team Marianne & Paul oder auch mit anderen Ehepaaren bei Wochenenden. Mit Gottes Hilfe können wir anderen ein wunderbares Geschenk machen. Oft staune ich über die Wunder der Verwandlung, die sich während der Wochenenden ereignen.
Gerne denk ich in diesem Zusammenhang auch an ein Projekt, das uns dreien kostbar ist, in das wir viel Zeit, Kraft und Herzblut investiert haben und das inzwischen nach 20 Jahren und manchen zwischenzeitlichen Durststrecken Kreise zieht und Früchte hervorbringt: Die Einführung des Mut-zur-Liebe-Wochenendes in Deutschland.

Für mich, Thomas, sind unsere Erfahrungen wie ein bunter Blumenstrauß von Blumen, die Gott hat wachsen lassen. Wir haben als Mitarbeiter Gottes nur das Unsere dazu getan: säen, gießen … ER hat die Blumen wachsen lassen! Vgl. 1 Kor 3,5-9.

Wir haben uns in unserer Dialoggruppe und mit Thomas über dieses besondere Ehepaar Prisca und Aquila ausgetauscht und möchten euch ermutigen, euch auch davon inspirieren und im Dialog herausfordern zu lassen.

Schalom
Marianne Krämer-Birsens, Paul Birsens und Thomas Corsten


Dialogfragen:

  • Was spricht mich am Ehepaar Prisca und Aquila an:
    Ihre Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit, (in der Arbeit, im Haushalt, in der Kindererziehung…)?
    Ihr gemeinsames Engagement?
    Ihre gemeinsame Glaubensausrichtung?
    Ihr Unterwegssein als Team? … Wfim?
  • Was erlebe ich als besonders partnerschaftlich in unserer Ehe? Wann spüre ich unsere `couple power` unsere Kraft als Paar? Wfim?
  • Wie treffen wir Entscheidungen? Wer entscheidet bei uns was?
    Wie entscheiden wir gemeinsam? Wfim?
  • Gibt es ein gemeinsames Projekt für das wir uns begeistern: zum Beispiel Mitarbeit in der Pfarrgemeinde, bei ME, ein ehrenamtliches Engagement?
  • Was ist mir besonders wichtig an unserem gemeinsamen Projekt, wofür „brenne ich“? Wfim?
  • Wie offen ist unser Haus, unsere Familie/Ehe für andere? Was gehört für mich dazu? Wie erlebe ich es, wenn wir Besuch bekommen, auch wenn nicht alles aufgeräumt ist? Wfim?
  • Sehe ich unser Zuhause als christliche Hausgemeinde, die offen für andere ist? Wfim?
  • Was von meinem Glauben, von meiner Begeisterung gebe ich weiter, so wie Prisca und Aquila Apollos aufnehmen und ihm `den Weg Gottes genauer auslegen`? Wfim?
  • Was schätze ich an unserer Teambeziehung mit …? Wfim?
  • Wie erlebe ich als Priester meine Beziehung zu Ehepaaren? Was gibt mir Kraft? Was ist für mich Herausforderung? Wfim?
  • In Christus sind wir alle gleich: Wie erlebe ich diese Gleichheit zwischen Paaren, Priestern und Ordensleuten? Wfim?

Titelbild: Tafel 19 des Elisabethzyklus
im Heiligen-Geist-Hospital in Lübeck