2020/4 Elisabeth und Ludwig von Thüringen – In Liebe gebunden, frei für die Welt

Elisabeth wurde 1207 als Prinzessin von Ungarn geboren, dem Kronprinzen von Thüringen als Frau versprochen und 1211 nach Eisenach an den Hof der Ludowinger verbracht. Dort fand sofort die Verlobung statt.

Von Beginn an fiel Elisabeth durch große Frömmigkeit (Wurzel all ihres Handelns), Freigebigkeit und soziale Mildtätigkeit auf, was zu extremer Ablehnung durch den Hof führte. Ludwig aber stand zu ihr. Als man seitens des Hofes erwog, Elisabeth nach Ungarn zurück zu führen, fragte Walther von Vargula Ludwig bei einem Ausritt, wie er mit der ungarischen Prinzessin zu verfahren gedenke. Ludwig antwortete: „Siehst du den hohen Berg dort. Wäre er aus rotem Gold und mein, so würde ich doch meine geliebte Schwester Elisabeth (sie nannten sich immer Schwester und Bruder) ihm vorziehen. Man sage, was man sagt; so gebe ich kund, dass mir nichts auf der Welt lieber ist als sie…“ Damit war die Sache entschieden. Ludwig heiratete 1221 Elisabeth in ihrem 14. Lebensjahr in der Georgenkirche zu Eisenach und machte sie damit zur Landesmutter über Thüringen und Hessen.

Am 26. März 1222 gebar Elisabeth ihren Sohn Hermann, am 29.03.1224 ihre Tochter Sophie. Der Burgkaplan der Wartburg Berthold vermerkt in seiner Chronik zur Beziehung Elisabeths und Ludwigs sicher nicht ungeniert: „Sie küssten sich mit Hand und Mund, mehr als 1000 Stund´. “

In der Folgezeit gründen Elisabeth und Ludwig einige Hospize (z.B. Gera, Erfurt, Eisenach). Elisabeths Wohltätigkeit zieht immer mehr Bettler zur Wartburg und sie fällt zunehmend bei den Vasallen in Ungnade, auch durch ihren Lebensstil: Elisabeth weigert sich von den Speisen zu essen, die von armen Bauern als Abgaben genommen waren. Ludwig gesteht es ihr öffentlich zu. Aber Ludwig war wegen einer Fehde mit dem Mainzer Erzbischof Siegfried von Eppstein in die Exkommunikation gefallen. Für die überaus fromme Elisabeth war dies eine extreme Belastung. Zudem beginnt 1224 „große Thüringer Theuerung“, drei Hungerjahre aufgrund extremer Wetterlage.

1226 zieht Ludwig zum kaiserlichen Hoftag nach Cremona. Er überträgt die Entscheidungsgewalt über die Landgrafenschaft nicht seinem Bruder Heinrich Raspe, sondern gegen alle Üblichkeiten an Elisabeth. Diese ordnet an, dass alle landgräflichen Kornspeicher in Thüringen, Sachsen und Hessen für die hungernde Bevölkerung zu öffnen seien. Ludwig wird bei seiner Rückkehr mit den Vorwürfen konfrontiert, dass seine Frau die Landgrafenschaft wirtschaftlich ruiniere, indem sie die Bevölkerung völlig überzogen unterstütze. Ludwig antwortete: „Lasst sie doch gewähren. Sie mag nach Gutdünken schenken, solange sie mir nur die Wartburg und die Neuenburg erhält.“ Um der Exkommunikation zu entgehen, musste Ludwig in Cremona das Kreuzzugsversprechen ablegen. Trotz schwerer Bedenken stimmte Elisabeth zu, um ihm „die Ewige Verdammnis zu ersparen“.

Ludwig zieht in den Kreuzzug. Elisabeth begleitet ihn bis Schmalkalden. Im Hafen von Otranto ereilt Ludwig das Fieber. Am 11.09.1227, 18 Tage vor der Geburt seines dritten Kindes Gertrud, erliegt er im Alter von 27 Jahren, befreit von der Exkommunikation, dem Fieber. Er hinterlässt Elisabeth und die drei Kinder nun ohne Schutz den feindlichen Leuten am Hof und ihrem gewalttätigen Beichtvater.

Ludwig stets im Herzen, bricht Elisabeth auf zu extremer Liebe zu Armen, Kranken und Sterbenden. In der Nacht vom 16. auf den 17.11.1231 verstirbt Elisabeth in ihrem Hospiz in Marburg. Ihre letzten Worte an die Anwesenden waren: „Ihr sollt wissen, dass ich stets glücklich war“. An Pfingsten 1235 spricht Papst Gregor IX sie in Perugia heilig. Auch Ludwig wurde wegen großer Taten der Liebe und dem Tod für die „Sache des Heiligen Landes“ seliggesprochen.

Es ist gar nicht so einfach, aus einer unüberschaubaren Fülle von Akten, Berichten, Urkunden, Chroniken und Legenden das Wesentliche einer großen Liebe heraus zu finden. So geht es mir, Leo, mit Elisabeth und Ludwig (IV) von Thüringen. Das Wesentliche ist nicht nur für die Augen unsichtbar, sondern auch durch noch so viele Quellen nicht zu erfassen. So gilt auch hier: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1Kor13,13)

Uns fällt auf, dass sich Elisabeth und Ludwig auf vielfältige Art immer wieder gegenseitig gefördert haben( Ti voglio bene!): z.B. durch Vertrauen schenken, „Ja“ zum Anderen sagen, Wertschätzung, Ermutigung und Bestärkung, Achtung und Respekt, Herausforderung, Freiheit schenken, Achtsamkeit, behutsame Zärtlichkeit und leidenschaftliche Liebe, Treue und einander Vorbild sein.

Ludwig wächst mit Elisabeth auf, sie nennen sich trotz Verlobung „Bruder“ und „Schwester“, d.h., Ludwig tritt Elisabeth von Anfang an freundschaftlich entgegen. Der 11- jährige hilft dem Kind, das seine Heimat verlassen musste, in seiner Heimat ein Zuhause zu finden.

Elisabeth lernt Reiten und Fechten. Sie beteiligt sich an den manchmal wilden Spielen und nimmt auf diese Weise gern und voller Energie teil an der Welt Ludwigs. Sie zeigt ihre Wertschätzung für die Welt Ludwigs, setzt aber bereits Grenzen.

Ludwig, der erzogen wurde zu Erhalt und Ausbau von Macht und Besitz, erkennt, dass seine Liebe zu Elisabeth einen größeren Stellenwert hat und verhindert durch seine Liebeserklärung, dass Elisabeth erneut aus ihrem Umfeld gerissen wird.
Elisabeth, die Ludwig wirklich liebte und von Kindheit an ein vertrautes Verhältnis zu ihm pflegte, sorgte dafür, dass in ihm die Saite der Liebe nie verstummte, trotz aller Machtbeschäftigung.

Ludwig, der oft durch Politik und Auseinandersetzungen Elisabeth und seine Familie verlassen musste, lehnte Mätressen aus Liebe zu Elisabeth ab. Er stärkte und förderte so durch seine Treue die Liebe zu seiner Frau.

Elisabeth akzeptiert die Rolle der Landesmutter, ging aber dabei über das damals Übliche hinaus. Sie begleitete Ludwig sehr oft auf seinen Wegen durch das Land und aß auch mit ihm am selben Tisch. (Damals bei Hofe nicht üblich) Als seine Frau war sie Ludwig nahe, stärkte und unterstützte ihn.

Ludwig vertraute Elisabeth mehr als z.B. seinem Bruder. Während Ludwig weg war, übertrug er an Elisabeth die Freiheit der Eigenverantwortung über den Besitz, weshalb Elisabeth so viel Gutes tun konnte.

Elisabeth forderte Ludwig heraus durch ihren Glauben und ihre Liebe. So öffnete sie durch ihr Handeln für Ludwig den Mächtigen immer wieder „Fenster“ zur Liebe und Barmherzigkeit. Ludwig lernt für sich selbst viel dazu, weil er sich auf sie als Glaubende und Liebende einließ und ihre Perspektive einnahm.

Elisabeth und Ludwig förderten sich gegenseitig durch Aufmerksamkeit und Zärtlichkeit. Die Zeit, die sie miteinander hatten, nutzen sie, taten sich gegenseitig gut und liebten sich leidenschaftlich. Das ging z.B. so weit, dass Elisabeth Ludwig selbst auf dem Weg zum Kreuzzug noch eine Zeit lang begleitete.

Wir haben uns nun im Liebesbrief gefragt: „Wo wurden durch dich gute Seiten in mir bestärkt oder geweckt?“

Barbara: Beim Schreiben und Austauschen wurde mir wichtig: Leo ist sieben Jahre älter als ich, genau wie bei Elisabeth und Ludwig; da hilft es mir sehr, wenn er mich nicht spüren lässt, dass ich die „Kleine“ bin, sondern mir partnerschaftlich auf Augenhöhe begegnet. So schätze ich sehr Leos großes Vertrauen in mich, wenn er mir aus Gesundheitsgründen seit vier Jahren das Steuern unseres Autos anvertraut. Ich erfahre dadurch, dass ich keine schlechte Fahrerin bin, obwohl ich vorher 30 Jahre lang nur wenig gefahren bin. Leos Wertschätzung für meinen Fahrstil bestärkt mich darin.

Als es darum ging, mich als Mitglied der Trierer Bistumssynode zu bewerben, hat mir Leo sogar mehr zugetraut, als ich mir selbst. Seine Ermutigung, Bestärkung und Wertschätzung halfen mir dabei, Unsicherheit, Selbstzweifel und gesteigertes Harmoniebedürfnis zu überwinden. Ich wurde schließlich Synodale und habe mich dort als jemand kennengelernt, der auch bei „Gegenwind“ seine Überzeugung vertreten kann. Ich bin froh und dankbar dafür, zu erleben, wie mich Leo in unterschiedlicher Weise fördert. Er bestärkt mich so und weckt schlummernde Fähigkeiten in mir.

Ich, Leo habe geschrieben: Liebe Barbara, … seit über 40 Jahren teilst du meine Begeisterung für Elisabeth und Ludwig und ich zähle schon lange nicht mehr die Vorträge, Gottesdienste, Predigten, Wochenenden und Besinnungstage, bei denen du mich mit Anerkennung, Ermutigung und Wertschätzung, aber auch durch Kritik und Herausforderung begleitet und unterstützt hast, ebenso durch Erinnerung und Vorbild. Dazu fällt mir dein freundlicher Umgang mit „unserer Zigeunerin“ (sie nennt sich selbst so!) ein. Während meiner Zeit als Seelsorger im Elisabethkrankenhaus war sie eine „meiner“ Patientinnen. Dass sie wenig später dann mit ihrem Bauchladen vor unserer Haustür stand, machte mich unsicher und auch etwas ärgerlich. Du aber hast sie freundlich behandelt und sie unterstützt und ihr so den Stolz gelassen, Händlerin und nicht Bettlerin zu sein. Und sie kam und kommt wieder und wieder und wieder… und das mittlerweile seit über 20 Jahren. Du hast mich so an meine eigene Aussage erinnert und herausgefordert, dass Elisabeth und Ludwig keine Verehrer, sondern Nachahmer brauchen und ich bin stolz auf dich und dankbar. Wir haben kein gemeinsames Hospiz gegründet, aber ein Anliegen von Elisabeth und Ludwig weitergeführt. Darüber bin ich glücklich, zufrieden, froh! …
Wenn wir uns im Paar gegenseitig fördern, wollen wir dies zur Ausdrucksform von Liebe werden lassen. Wir laden ein, dieser Spur mit Hilfe der Dialogfragen auf der letzten Seite zu folgen.

Mit herzlichem Shalom
Barbara & Leo Thömmes


Dialogfragen

  • Wann / wo / wie habe ich deine Unterstützung und Förderung erlebt? Wfim, wenn ich dir davon schreibe?
  • Gab es Situationen in der Vergangenheit, in denen du für mich eingetreten bist, zu mir gestanden hast? Wfim, wenn ich mich daran erinnere?
  • Mit meiner Herkunftsfamilie hast du es manchmal schwer.
    Wfim, wenn ich dann zu dir stehe? Bzw.
    Ich habe es manchmal schwer mit deiner Herkunftsfamilie.
    Wfim, wenn du zu mir stehst?
  • Wo / wann wurden durch dich gute Seiten in mir bestärkt oder geweckt? Wfim?
  • Was bedeutet es für mich in einer konkreten Situation, deine Überzeugung zu achten und zu respektieren? Wfim?
  • Wo und wann durfte ich dein Vertrauen erfahren und
    wie hat mich das gestärkt? Wfim?
  • Unter welchen Bedingungen können bei uns Zärtlichkeit und Leidenschaft besonders gut gedeihen? Wfim?
  • Wfim, wenn ich von dir Unterstützung für mich selbst erbitten möchte?
  • Was lebt in mir, wenn du mir unerwartet hilfst? Wfim?
  • Ich betrachte den Wechsel von Freiheit und Nähe zwischen uns.
    Welche Freiheit tut mir besonders gut?
    Welche Nähe möchte ich nicht missen? Wfim?

Titelbild: Tafel 19 des Elisabethzyklus
im Heiligen Geist Hospital in Lübeck