(Die 5 Sprachen der Liebe – Einführung zur Themenserie) »
Zweisamkeit und Zärtlichkeit in unserer Kindheit
Zweisamkeit und Zärtlichkeit – beide verbinden wir diese Sprachen mit unserer Kindheit.
Charlotte: In meiner Kindheit schenkten mir meine Eltern volle Aufmerksamkeit. Meine Mutter war da und hörte mir zu, wenn ich aus der Schule kam. Auch mein Vater hatte immer ein Ohr für mich. Mit Zärtlichkeit waren beide nicht geizig und ich war sehr empfänglich dafür. So sehe ich diese Sprachen als meine Muttersprachen, die ich gerne empfange und spreche.
Martin: Auch ich verbinde Kindheitserinnerungen mit diesen beiden Liebessprachen, die ich gerne spreche.
Zärtlichkeit bekam ich eher von meiner Mutter. Das genoss ich als Kind sehr. Als ich Charlotte kennenlernte, kam ich mit großem Hunger nach Zärtlichkeit auf sie zu und war begeistert, dass sie das gut aufnahm.
Meine Eltern schenkten mir früher selten uneingeschränkt ihre Zeit. Doch sehnte ich mich danach und genoss die Familienurlaube, wo ich mehr Aufmerksamkeit von ihnen bekam als sonst.
Als ich schon im Teenager-Alter war, saß mein Vater abends oft mit mir zusammen. Er rauchte eine Zigarette, trank ein Glas Wein, löste ein Kreuzworträtsel und wir unterhielten uns über Gott und die Welt. Sein Fokus war, mir Wissen zu vermitteln und Lösungen für meine Probleme anzubieten. Dadurch spürte ich Sicherheit und Vertrauen.
Was ist Zweisamkeit?
Die Zweisamkeit, von der wir uns nähren, ist jedoch noch mehr als das: es ist die bewusste Zuwendung mit Blickkontakt. Alles andere wird zur Seite gelegt, nichts „nebenbei“ getan. Es bedeutet: die Gedanken und Gefühle, die du mir mitteilst, sind für mich gerade das Wichtigste und ich höre dir zu, ohne zu unterbrechen. Zeit mit dir ist das Kostbarste. Sich füreinander Zeit zu nehmen, das ist ein Liebeszeichen.
Pure Zweisamkeit und die ultimative Zuwendung ist der Dialog. Mit dem Werkzeug des Dialogs lebt jedes Paar bei ME in einer Kultur dieser Liebessprache.
Charlotte: Zweisamkeit bedeutet, Rituale zu pflegen. So stellen wir uns nach dem Aufwachen die Fragen: „Wie hast du geschlafen? Wie geht es dir jetzt? Was geht dir von gestern noch nach?“ Anschließend sprechen wir ein Gebet.
Gemeinsames Beten, die gemeinsame Hinwendung zu Gott, stärkt die Zweisamkeit.
Gemeinsam in die gleiche Richtung schauen
Es gibt auch Zweisamkeit, die keine ständige Zuwendung oder Blickkontakt erfordert. Gemeinsame Hobbies oder gemeinsame Unternehmungen gehören zur Liebessprache der Zweisamkeit. Dabei schauen wir eher in eine Richtung, statt uns anzusehen.
Wir beide arbeiten zusammen für ME oder für unser Business als Kommunikationstrainer. Wir gehen aber auch gerne einfach zusammen mit dem Hund spazieren. Ich tue auch manchmal etwas Martin zuliebe, das heißt, aus Liebe zu Martin etwa ein Fußballspiel mit ihm ansehen, das mich nicht so sehr interessiert, doch das Zusammensitzen und Zusammensein ist schön.
Martin: Ich mache morgens in der Küche das Radio aus, wenn Charlotte herunterkommt, da ich weiß, dass sie sich durch Musik gestört fühlt. Das mache ich ihr zuliebe – aus Liebe zu ihr – und setze sie so an die erste Stelle.
Bei uns gibt es immer mal wieder hektische Absprachen zwischen Tür und Angel, wie wohl in jeder Ehe. Mit Zweisamkeit und Aufmerksamkeit hat das wenig zu tun.
Doch nehmen wir uns regelmäßig Zeit, zu planen und über den Terminkalender zu schauen. Das geschieht in Ruhe und in achtsamer Haltung, es wird eine gemeinsame to-do-Liste und ein Zeitplan erstellt.
Charlotte: Beim Planen sind wir schnell wieder auf der Gefühlsebene. „Ich mache mir Sorgen, dass wir das zu spät angehen…“. „Ich freue mich auf…“. Am Ende ist oft ein Gefühl der Sicherheit da. Auch das ist Zweisamkeit und Aufmerksamkeit.
Martin: Ich sehe dankbar, dass wir hier ähnliche Bedürfnisse haben. Bei meinen Eltern habe ich es anders erlebt. Meine Mutter hätte sich die Liebessprache der Zweisamkeit gewünscht. Mein Vater drückte seine Liebe eher durch Helfen aus. „Aber ich mach doch alles für dich“, sagte er. Meiner Mutter hat das nicht gereicht. Sie beschwerte sich über seine Bemühungen, z.B. den Garten schön zu machen, denn ihr stärkstes Bedürfnis wurde nicht genährt.
Zärtlichkeit
Charlotte: Dialog und Gebet gehören für uns zur Zweisamkeit. Doch auch Sexualität, Zärtlichkeit und Körperkontakt. Gary Chapman behandelt das als eigene Liebessprache, für mich ist es gar nicht zu trennen. Ohne Berührung kann ich mir Austausch und Rituale nicht denken.
Beim Spaziergang fassen wir uns an der Hand, beim Morgenritual kraule ich Martins Nacken.
Papst Franziskus sagt: „Jede Zärtlichkeit, die wir einander schenken, ist ein Zeichen der Kraft unserer Liebe, Zeichen einer starken Liebe.“
„Habt keine Angst vor der Zärtlichkeit“, sagt der Papst 2013 in seiner Antrittsrede, „verliert als Christen nicht die Fähigkeit, zu umarmen und zu liebkosen“.
Martin: Körperkontakt gibt es bei uns auch, ohne dass wir im Austausch sind. Wenn wir auf dem Sofa lesen und jeder mit seinem eigenen Text beschäftigt ist, dann schmiegen wir unsere Beine aneinander. Oder wenn Charlotte abends noch liest und ich neben ihr einschlafe, dann berührt sie mich am Nacken. Sind wir zusammen, sind wir zärtlich miteinander.
Zärtlichkeit hat verschiedene Ausdrucksformen
In der Berührung vertraue ich mich Charlotte an, gebe mich in ihre Hände. Bei ihr zeige mich bedürftig. Daraus erwächst neue Kraft und Energie. „Nähe und Zärtlichkeit zeigen uns die Kraft der Liebe Gottes“, sagt Papst Franziskus.
Zärtlichkeit zeigt sich auch darin, wie wir miteinander reden.
Sie zeigt sich, wenn ich nicht rechthaben muss, wenn ich darauf verzichte, das letzte Wort zu haben. Wenn ich akzeptiere und respektiere, dass Charlotte verletzlich ist.
Gut im Austausch zu sein ist Voraussetzung für Zärtlichkeit. Mit Zeit, Muße und Zweisamkeit kann sie sich richtig entfalten.
Mit Zärtlichkeit nehme ich Charlotte in meinen liebenden Blick und lasse ebenso zu, dass sie ihren Blick auf mich richtet.
Zärtlichkeit und Sexualität
Zärtlichkeit ist nicht gleichbedeutend mit Verlangen nach körperlicher Intimität. Ich kann diese Sprache sprechen und empfangen, ohne direkt mit Charlotte schlafen zu wollen. Gary Chapman grenzt hier ab: Nicht automatisch ist die Sprache der Zärtlichkeit die Muttersprache, wenn man regelmäßig den Wunsch nach sexueller Begegnung hat.
Charlotte: Doch wenn Martin die Liebessprache der Zärtlichkeit nicht sprechen könnte, würden wir seltener miteinander schlafen.
Zärtlichkeiten werden ab und an zu einer eindeutigen Einladung – und ich brauche sie, um „in Stimmung“ zu kommen.
Allerdings ist es bei mir nicht so, dass eine Umarmung mir mehr sagt als 1000 Worte.
Auch zur Versöhnung nach dem Streit gehört für mich eine Berührung UND die Bitte um Verzeihung.
Dass Martin oft die richtigen Worte findet – um mich zu wertschätzen, zu trösten, zu versöhnen oder zu erregen – das ist für mich Teil seiner Zärtlichkeit.
Die Sprache der Berührung verantwortungsvoll sprechen
Ich bin sehr empfindlich, wenn Martin mich unachtsam berührt. Als wir beim Tanzen einmal stürzten, weil er mir zu viel Schwung gab. Oder als er mich aus Scherz im Schwimmbecken von den Beinen holte. Da habe ich mich geärgert.
Martin: Ich spüre Unmut, wenn Charlotte mir liebevoll den Rücken reibt und dann plötzlich sich mit spitzen Fingernägeln schmerzhaft einer unebenen Hautstelle widmet. Das geschieht gar nicht so bewusst, sagt sie dann. Das empfinde ich als unachtsam.
Um Zärtlichkeit bitten
Charlotte: Ich spreche und empfange die Liebessprache der Zärtlichkeit. Eine Umarmung tankt mich auf und ich kann sie mir nicht selber geben. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, Martin um eine Umarmung zu bitten. „Nimm mich mal in den Arm“, sage ich dann, „ich brauche einen Drücker.“
Diese eingeforderte Umarmung tut mir genauso gut wie eine spontan geschenkte. So kann ich für mich sorgen – und Martin macht es mir leicht.
Martin: Charlottes Bitte um Umarmung erfülle ich jederzeit und gerne.
Ich habe mich davon frei gemacht, instinktiv wahrnehmen zu können, wann Charlotte eine Berührung braucht. Ich bin froh, dass sie es klar sagt und einfordert. Es bewegt mich, dass sie durch meine Nähe Kraft für die Herausforderungen des Alltags erfährt und in meinem Arm ihren Liebestank füllt.
Wir haben beide das Bedürfnis, die Liebessprache der Berührung zu sprechen. Wir berühren uns und entdecken uns neu als zärtlich Berührte. Dafür bin ich dankbar.
Dialog: Wie geht es mir mit den Sprachen der Zweisamkeit und Zärtlichkeit?
Charlotte:
Liebster Schatz!
Wenn du mich an die erste Stelle stellst und alles andere weglegst, dich mir zuwendest, dann weiß ich mich geliebt. Und ich zeige gerne so auch meine Liebe.
Liebe ist es, einen anderen Menschen unendlich faszinierend zu finden. Das habe ich in einem Roman gelesen und es hat mich berührt. Für mich bist du dieser Mensch. Du bist auch derjenige, dem ich vieles mitteilen möchte. Wenn ich ein paar Tage nicht dazu komme, werde ich kribbelig.
Und die körperliche Nähe, die gehört dazu. Der Wunsch nach Miteinanderschlafen wächst durch intensivere Berührung, die wir uns immer wieder auch schenken, oft spontan aus unserem Gefühl der Nähe heraus.
Eine richtige Durststrecke war deine häusliche Isolation im November. Ich erinnere mich an Kälte, an Durchzug im Haus, weil wir immer wieder lüfteten. Wir haben im Garten auf den Terrassenstühlen gehockt, jeder mit einer Decke, und uns mit Abstand ausgetauscht. Ich habe dir von meiner Reise nach Wien erzählt und wir lachten auch. Doch es war nicht das Gleiche ohne Nähe und Körperkontakt. Ich wurde schnell gereizt, war einsam in diesen Tagen. Unendlich froh war ich, als du in meine Arme und in mein Bett zurückgekommen bist.
Wenn ich dir das schreibe, bin ich dankbar, dass du mir diese beiden Liebessprachen schenkst und ich sie erwidern darf, wie es mir entspricht.
In Liebe, deine Charlotte
Martin:
Mein geliebtes Schöchen!
Mit dir Zeit zu verbringen, das lädt meine inneren Batterien auf.
Ich spreche die Sprache der Zweisamkeit gerne und mühelos und erhalte sie auch von dir. Tage, an denen wir nicht austauschen können, enden für mich mit einem Eindruck von Defizit. Da fehlt etwas. Ich liebe unser Morgenritual. Zweisamkeit ist für mich auch, mit dir Dinge zu erledigen, zu planen, gemeinsam einzukaufen.
Und ein Oasentag wie neulich in der Therme, wo wir nur auf uns als Paar schauen, nicht erreichbar für andere – das ist einfach traumhaft.
Schmerzlich war die Zeit der häuslichen Isolation für mich. Du kamst aus Wien zurück und wir durften uns nicht umarmen. Ich habe schlecht geschlafen im Arbeitszimmer, war wie amputiert, nicht heil, ohne deine Nähe.
Zärtlichkeit ist für mich sehr eng mit Zweisamkeit verbunden. Es ist ein Geschenk, dass wir uns mit Zärtlichkeit begegnen und auch in der Sexualität so unsere Bedürfnisse gleichermaßen erfüllen können. Ist längere Zeit keine körperliche Nähe da, habe ich Sehnsucht nach dir.
Wenn ich dir das schreibe, spüre ich, wie sehr ich diese Sprache brauche, von dir bekomme und auch gerne spreche. Mein stärkstes Gefühl ist Freude. Ich bin angerührt davon, wie liebevoll wir seit 35 Jahren miteinander umgehen.
In großer zärtlicher Liebe küsse ich dich
Dein Martin
Gebet:
Hier sind wir, Gott, vor dir
so wie wir sind
mit unserer Sehnsucht nach deiner Zärtlichkeit,
mit allem, was uns beschäftigt und bedrängt.
Wir lassen es los und öffnen uns deiner Nähe.
Deine Lebenskraft fließt in uns.
Der Atem, mit dem du uns belebst,
lässt Frieden in uns einkehren.
Gott, Quelle der Liebe
segne und behüte uns.
Denn Dein ist das Reich
und die Kraft
und die Zärtlichkeit
in Ewigkeit
Amen.
Charlotte Zierau und Martin Beck
Dialogfragen:
- Wie geht es mir mit den Sprachen der Zweisamkeit und Zärtlichkeit? Ich wähle den Aspekt, der mir heute am nächsten ist. Wfim dabei?
- Habe ich die Sprache der Zweisamkeit in der Kindheit gehört, gesprochen?
Wie stark ist sie heute in mir?
Falls ich sie vermisst habe – wie gehe ich damit um? Wfim? - Wie reagiere ich auf Zweisamkeit? Verstehe ich diese Sprache?
Was könnte ich hier noch lernen? Wfim bei diesen Gedanken? - Wie reagiere ich auf Zärtlichkeit? Verstehe ich diese Sprache?
Was könnte ich hier noch lernen? Wfim bei diesen Gedanken? - Wfim bei Chapmans Aussage, dass Zärtlichkeit und Sexualität „zwei Paar Schuhe“ sein können?
- Welche Gedanken und Gefühle habe ich, wenn ich von der „Sprache der Berührung“ höre?
- Welche Gedanken und Gefühle habe ich, wenn ich mir vorstelle, dich um eine Berührung zu bitten?
- „Habt keine Angst vor der Zärtlichkeit!“ Wfim bei dieser Ermutigung des Papstes?
Bild: Waltraud Koch-Heuskel