Liebe Paare, Priester und Alleinstehende,
Trauer hat gesellschaftlich einen eher negativen Touch. Wir erleben es als ein Gefühl, das als „schwer“ eingestuft wird. Trauer gehört aber zu unserem Leben. Wir können und sollen sie nicht verdrängen oder weg reden, wie z.B., wenn gesagt wird, „Das wird schon wieder“.
Trauer erleben wir, wenn wir uns von etwas verabschieden müssen. Trauer hilft uns los zu lassen.
Seit unserem ME-WE wissen wir, dass Gefühle weder gut noch schlecht sind. So ist auch die Trauer an sich neutral.
Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, ist das wohl der Ernstfall der Trauer. Darin können wir uns, so glauben wir, auch nicht hineinversetzen.
Deshalb möchten wir euch liebe Witwen und Witwer ganz besonders einladen von eurer Trauer über den Verlust eures Ehepartner/-in zu schreiben. Wie habt ihr sie erlebt? Was hilft euch?
Aber Trauer tritt nicht nur dann ein, wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, sondern
Wir erleben Trauer in unserem Alltag:
z.B. wenn wir am Morgen den Rollladen hochmachen und es regnet, ich mich aber auf einen Ausflug oder eine Radtour gefreut hatte.
Wenn ich mich auf ein Konzert oder Theater freue, es am Abend aber keine Karten mehr gibt.
Als die Kinder alle Radfahren konnten, freute ich mich schon auf gemeinsame, mehrtägige Radtouren mit der ganzen Familie. Schon bald gab uns unsere Tochter zu verstehen: „auf gar keinen Fall, alles bloß das nicht!“
Es gibt aber auch die Trauer über ungelebte Träume oder verpasste Chancen. Trauer, wenn Lebensabschnitte zu Ende gehen: Z.B., wenn Kinder aus dem Haus gehen, wenn das Arbeitsleben endet, ein Umzug in eine andere Stadt ansteht. Trauer erleben wir, wenn Freundschaften zerbrechen.
Welche Trauer erlebe ich bei mir?
Klaus: Trauer erlebe ich, wenn ich mich von Träumen verabschieden muss. Durch meine gesundheitlichen Rückschläge habe ich schon vor einigen Jahren erfahren, dass ich manches nicht mehr machen kann. Ich hatte immer von Hochgebirgstouren geträumt. Ich wollte immer mal nach Tibet oder Nepal. Aber davon habe ich mich verabschieden müssen. Bei dieser Erkenntnis war Enttäuschung in mir, schade. Ich habe dem nachgetrauert. Dabei hat sich meine Trauer manchmal in Ärger, Frustration gewandelt. Ich habe mich damit aber abfinden müssen. Heute kann ich mich an unseren Almen-Wanderungen in den Bergen freuen. Auch wenn es nicht Hochgebirge ist.
Trauer erlebe ich auch in der schwierigen Situation in unserer Firma. Personalkosten und damit auch Personal soll eingespart werden. Das Menschliche ist in unserer Abteilung auf der Strecke geblieben. Die Verbannung ins Home-Office trägt natürlich auch dazu bei. Der Abteilungsleiter sieht nur die Zahlen und freut sich über jeden, der eine Abfindung unterschreibt. Das macht mich müde, lustlos. Ich bin sehr enttäuscht vom menschlichen Umgang. Es frustriert mich, wenn meine Arbeit keinen Wert mehr hat und ich nur als Kostenfaktor gesehen werde und nicht mehr gebraucht werde. Durch das Home-Office gehen die Kontakte mehr und mehr verloren, vor allem zu den Kollegen in den anderen Teams. Es betrübt mich sehr.
Beate: Wir sind im Urlaub bei einer Wanderung ca. 15m vor dem Gipfel. Ich komme nicht weiter. Es geht ein Seil senkrecht hoch und dann wieder runter. Als Klaus wieder zurückkommt, stehen mir die Tränen in den Augen, über meine Unzulänglichkeit, die ganze Anstrengung hat sich nicht gelohnt. Die Trauer, dass ich es nicht geschafft habe, begleitet mich noch die restliche Wanderung. Ich habe keinen Blick für das Schöne und Gelungene an diesem Tag. Ich fühle mich verbittert und wertlos.
Mein Bruder und ich sind im Umgang mit unserer Mutter sehr unterschiedlich. Dies führt immer wieder zu Spannungen, da er die Erwartung hat, dass ich so handeln muss, wie er es für nötig hält. Neulich war er einige Tage im Urlaub. Bei meiner Mutter gab es eine Situation, wo er meinte, wir müssen dringend eingreifen. Ich sah dies gelassener und entspannter. Er brach seinen Urlaub ab. Meine Mutter bekommt diese Spannung zwischen meinem Bruder und mir mit und ab. Ich fühle mich in dieser Situation ohnmächtig und betrübt, keine gute Tochter zu sein.
Trauer am ME-Wochenende
Bei den Einführungen am ME-WE kann Trauer in der Selbstbegegnung vorkommen. Bei dem was ich nicht an mir mag, was ich verbergen möchte. Oft resultierend aus den Erfahrungen in der Kindheit und Jugend.
Auch kommt Trauer in der Ernüchterung – nach der Romanze – vor. Wenn du plötzlich ganz anders bist als ich es mir vorgestellt habe.
Außerdem in den Begegnungsbereichen Tod und Sexualität.
Welche Trauer erlebe ich in unserer Beziehung?
Klaus: Traurigkeit in der Beziehung erlebe ich, wenn meine Ideen bei Beate Ablehnung oder Abweisung erfahren. Ich habe mir etwas überlegt und bin euphorisch. Aber bei Beate prallt es ab, so wie bei der Vorbereitung über diesen Impuls. Dann fühle ich mich niedergeschlagen, ja wie wenn ich einen Schlag abbekommen hätte.
Traurigkeit erlebe ich, wenn meine Sehnsucht nach Zärtlichkeit und Sexualität nicht erfüllt wird. Ich erlebe Enttäuschung. Ich habe mich sehnsüchtig darauf gefreut und dann erfahre ich Ablehnung oder Unlust bei Beate. Ich fühle mich dann einsam, allein, traurig, dass es jetzt nicht möglich ist. Ich gehe dann von dannen, wie ein bedröppelter Hund oder ein begossener Pudel.
Beate: Ich erlebe Trauer in unserer Beziehung, wenn wir uns gegenseitig nicht im Blick haben. Jeder ist so mit seinen Gedanken beschäftigt. Dazu kommen noch die eigenen unausgesprochenen Erwartungen. Klaus hat es oben schon erwähnt. In der Vorbereitung hatte jeder von uns schon gewisse Ideen und Vorstellungen, die wir uns aber nicht mitgeteilt haben.
Immer wieder gibt es Situationen / Momente, in denen Klaus mir fremd ist. Da sitzt er vor mir und so kenne ich ihn gar nicht. Da spüre ich eine Traurigkeit in mir. Der Gedanke dabei, jetzt kennen wir uns schon so viele Jahr und wer bist du? Wenn ich länger darüber nachdenke ist es so, dass er ganz anders reagiert hat, als ich dachte oder es erwartet habe. Er lehnt eine Idee von mir oder auch von den Kindern ganz bestimmt ab. Ohne Begründung und lässt nicht mit sich handeln. Ich fühle mich aufgewühlt und verbittert.
Über folgende Fragen dürft ihr natürlich auch schreiben, wenn sie euch mehr ansprechen:
Wo erlebe ich Trauer in der Beziehung zu unseren Kindern oder Eltern und Geschwistern?
Beate: Traurigkeit ist bei mir, weil ich meiner Mutter nichts Tiefergehendes über unser Engagement bei ME erzählen kann.
Klaus: Trauer erlebe ich in der Beziehung zur Familie meines Bruders. Dass wir nicht zur Hochzeit meiner Nichte eingeladen waren, hat mich sehr geschmerzt. Enttäuschung macht sich breit. Es betrübt mich. Es drückt mich manchmal runter. Auch für unsere Kinder, die zu ihrer Cousine und Cousin keine Beziehung leben können. Die Frage nach dem Warum treibt mich um. Ich dachte, ich habe mich damit abgefunden, aber immer wieder gibt es mir einen Stich!
Wo erlebe ich Trauer, wenn ich auf meine Kindheit blicke?
Hierüber haben wir nicht geschrieben, aber Anselm Grün schreibt in seinem Buch „50 Engel für das Jahr“ von der Trauer über das ungelebte Leben, wenn wir von Eltern oder Lehrern in eine Richtung gedrängt wurden. Oder wenn wir erkennen, dass wir in unserer Kindheit nicht wirkliche Geborgenheit erlebt haben. Er rät uns die Enttäuschungen des Lebens zu betrauern, damit wir nicht erstarren und sie uns heimlich weiter bestimmen.
Wo erleben wir Trauer bei ME?
Wenn Wochenenden ausfallen und es uns nicht gelingt Paare, die wir ansprechen oder anschreiben für ein Wochenende zu begeistern. Wenn wir kein Feuer in der Gemeinschaft spüren. Oder als für uns als Regionalpaar keine direkten Nachfolger gerufen werden konnten.
Kraft der Trauer *
Trauer ist eine Kraft. Durch sie nehmen wir an was wir nicht ändern können, obwohl wir es uns anders wünschen. Durch sie können wir den Tod, die Trennung von einem geliebten Menschen annehmen.
Trauer ist eine Kraft von großer Tiefe, Weite und Weisheit. Die Kraft der Trauer öffnet unser Herz um anzunehmen, loszulassen, Hilflosigkeit anzuerkennen, wertzuschätzen.
Die Trauer hilft uns mehr und mehr die Liebe zu dem zu entdecken, was wir verabschieden müssen.
Wenn wir uns von einem Menschen verabschieden müssen, würdigen wir durch unsere Trauer all das, was dieser Mensch in und für unser Leben war.
Die Kraft der Trauer hilft uns den Widerspruch zwischen meiner Sehnsucht und dem was jetzt ist zu überbrücken. Sie hilft uns mit Tatsachen Frieden zu schließen. Frieden zu schließen mit dem was ist.
Trauer ist die Kraft der Liebe und des Friedens.
Sinn der Trauer
In der Trauer zeigen wir uns mit unseren Wünschen und Sehnsüchten.
Wenn ich es benennen kann um was ich genau trauere, dann kann ich es vielleicht leichter loslassen.
Menschen, die eine gesunde Trauer haben, werden von ihren Mitmenschen wegen ihrer Herzenswärme, Weisheit, Tiefe und Liebesfähigkeit geschätzt.
Zu wenig Trauer
Fehlt uns die Bereitschaft zu trauern, fehlt uns vermutlich auch die Möglichkeit Tiefe, Weisheit und wahrhaftige Liebe zu entwickeln. Unsere Beziehung zu unseren Mitmenschen und unserer Umwelt hat dann eine oberflächliche, fast willkürliche Qualität. Personen, Umstände werden beliebig und austauschbar. Vieles ist uns gleichgültig. Wir entwickeln eine Beliebigkeit eine Apathie wir verdrängen was uns missfällt. Uns mangelt es an Sensibilität. Genauso wenig wie wir dann trauern können, können wir uns auch nicht so richtig über etwas freuen. Trauer und Freude gehören also zusammen.
Zu viel Trauer
Wenn wir übermäßig und zu viel Trauerkraft erzeugen, landen wir in der Melancholie. Alles ist schade und traurig. Wir suhlen uns im Bad unserer eigenen Tränen. Oft entgeht uns die Möglichkeit aktiv, kreativ und wieder freudvoll und lebendig zu sein. Der Melancholiker ist oft depressiv, passiv und wehleidig. Er ist handlungsunfähig.
Gottes Sicht auf unsere Trauer
Ich will euer Trauern in Freude verwandeln! steht bei Jeremia 31,13
Auch Jesus möchte: Eurer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen.
Diese Freude kommt aber nicht einfach angeflogen. Sie kann entstehen, wenn ich mich öffne, anvertraue. Wenn ich erkennen und glauben kann, dass alles Wertvolle und Kostbare in meinem Leben nicht wirklich verloren ist. Menschen, um die ich trauere, haben Spuren in meinem Leben und in meinem Herzen hinterlassen. Sie können auf eine andere Art und Weise in meinem Herzen präsent sein.
Vertraue, wenn du trauerst, darauf, dass Gott da ist und dir begegnet. In jedem Menschen der dich nicht allein lässt, in jedem ermutigenden Gedanken, jedem tröstlichen Wort und jedem Lächeln. Auch in der Musik und in jedem Lebewesen, das dir vertraut, dem du Liebe schenken kannst und das dich liebt. Das sind Lichtstrahlen auch in dunklen Tagen.

Wir laden euch ein über eure Trauer zu schreiben, die ihr erlebt oder erlebt habt.
Mit herzlichem Schalom
Beate Pollich-Ziegler und Klaus Ziegler
* In der Theorie haben wir Gedanken aus dem Buch „Gefühle & Emotionen – Eine Gebrauchsanweisung“ von Vivian Dittmar entnommen (ISBN 978-3-940773-01-2)
Dialogfragen zum Thema Trauer:
- Welche Trauer erlebe ich in unserer Beziehung? Wfim, wenn ich dir das schreibe?
- Welche Trauer erlebe ich bei mir? Wie fühlt sich diese Trauer an? Was hilft mir in meiner Trauer?
- Wo erlebe ich Trauer in der Beziehung zu unseren Kindern oder Eltern und Geschwistern? Wfim?
- Welche Trauer habe ich, wenn ich auf meine Kindheit blicke? Wie erlebte ich sie damals? Wie heute? Wfim?
- Wie wurde in meiner Kindheit mit Trauer umgegangen? Ist sie angenommen worden? Wfim, wenn ich daran denke?
- Wie konnten wir uns mit unserem unterschiedlichen Umgang mit Trauer in unserer Beziehung eine Hilfe sein? Wfim bei meiner Antwort?
- Welche Chance habe ich durch das Durchleben der Trauer bekommen? Wfim dabei?
- Welche Trauer erlebe ich, wenn ich auf die ME-Gemeinschaft schaue?
- Von was muss ich mich verabschieden? Welche Trauer erlebe ich dabei? Wfim?
- Ich denke an eine Situation, in der ich gestärkt aus der Trauer hervorging. Wer oder was hat mir geholfen? Wfim dabei?
- Ich denke an eine Situation, in der es mir gelungen ist, meine Trauer loszulassen? Wfim jetzt?
- Wfim, wenn ich mir bewusst mache, dass Trauer in meinem Alltag vorkommt?
- Was möchte ich von meiner Trauer um meinen geliebten Partner/geliebte Partnerin mitteilen? Wie fühlt sich diese Trauer an? Was hat mir geholfen, nicht in dieser Trauer stecken zu bleiben?
Titelbild: Monika Weithmann-Kraus & Franz Kraus