Wer mag Abschiede? Im Buch Tobit wird der Abschied dreimal thematisiert: In Tob 5 wird Tobias, der Sohn von Tobit, verabschiedet. Er tritt eine längere Reise an. Dort heißt es: „Er küsste seinen Vater und seine Mutter und Tobit sagte ihm: Gehe wohlbehalten! Seine Mutter aber begann zu weinen …“ (Tob 5, 17b;18a). Abschiede sind wahrscheinlich nie leicht. Menschen lassen nur sehr ungern ihre Liebsten gehen, auch wenn es nicht für ewig ist. Und auch Schlagertexte zeigen auf, wie dramatisch manchmal Abschiede sein können. So gibt es Lieder wie „Abschied ist ein scharfes Schwert.“ oder „Abschied ist ein bisschen wie sterben.“ Abschiede, auch wenn sie nur auf Zeit sind, sind mit starken Gefühlen verbunden. Der Verstand sagt mir, dass die geliebte Person in x Wochen oder Monaten wieder zurück ist. Doch was macht einen Abschied auf Zeit so schwer? Vielleicht gibt es Befürchtungen, dass der Kontakt abbricht oder die Sorge, dass dem/der anderen etwas passiert?
Besinnungsfrage: Wie geht es Dir mit Abschieden? Mache ein paar Notizen.
Ich, Rolf, war gerade von meiner Silke getrennt. Sie war zu Einzelexerzitien in einem Kloster. Und ich bin zu Hause geblieben. Ich weiß, dass es Silke gut tut sich eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Ich freue mich für Sie und doch fiel es mir schwer, Sie reisen zu lassen. Während Ihrer Abwesenheit kamen die unterschiedlichsten Gefühle hoch: Trauer und Schmerz der Trennung. Ich fühlte mich allein gelassen, da ich diese Reise nicht beschlossen hatte. Ich war unzufrieden mit meiner Situation, mürrisch und wehmütig. Und ich war auch ein wenig neidisch: Sie hatte Urlaub und ich musste weiter Arbeiten. Ich freute mich dann über jeden Anruf von ihr. Und mit der Zeit entdeckte ich, dass ich auch einmal Zeit hatte, andere Dinge als sonst zu tun. So hatte ich z. B. mehr Zeit zum Lesen. Das machte mich zufrieden und glücklich. Manche Dinge, die sonst liegen geblieben sind, gingen mir leichter von der Hand. Das war sehr angenehm und machte mich auch ein wenig stolz.
Ich erinnere mich noch als es vor drei Jahren andersherum war. Ich war zur Reha. Da habe ich auch Silke vermisst, aber durch die vielen neuen Eindrücke wurden diese Verlust-Gefühle stark überlagert. Die Zeit war angefüllt mit schönen Erfahrungen: Meinem Rücken ging es mit der Zeit besser, ich habe eine neue Gegend und neue Leute kennengelernt. Ich bekam regelmäßig etwas zu essen, ich hatte mehr Freizeit als sonst, wenn ich Arbeiten muss, und konnte meine zusätzliche Freizeit mit schönen Dingen gestalten. Ich war fröhlich, zufrieden und dankbar, dass ich während der Coronazeit reisen durfte und mein Gesundheitszustand sich verbesserte. Die Zeit verging so schnell. Und dann durfte ich mit vielen schönen Erinnerungen wieder nach Hause fahren und sehnte mich danach Silke wieder zu sehen.
Für mich, Silke, war damals die Zeit bevor Rolf zur Reha ging und die ersten 1½ Wochen seiner Reha gefühlt der pure Horror. Die Zeit war meinerseits mit gefühlt nicht enden wollenden Tränenausbrüchen allein bei dem Gedanken an Rolfs Abreise verbunden. Mein Verstand sagte mir, dass für Rolf die Reha wichtig ist und unsere Trennung ja mit 3 Wochen relativ kurz war. Tief in mir wusste ich, dass ich die Zeit gut überbrücken können würde. Ich durfte ja in der Zeit zur Arbeit gehen und kann mich in der Regel auch sonst sehr gut allein beschäftigen.
Ich hatte sehr große Angst davor, dass ich in der Zeit Probleme bekommen würde, die ich ohne Rolf nicht bewältigen könnte. Es war Angst vor meinen eigenen Unzulänglichkeiten und vor der Einsamkeit in der Wohnung. Mir fehlten unsere verschiedenen Rituale, unsere jederzeit möglichen Gespräche und unsere Zärtlichkeiten. Gleich am ersten Abend verirrte sich eine Fledermaus in unsere Wohnung und ich hatte große Angst und Sorgen, dass sie nicht mehr von sich aus den Weg aus der Wohnung findet. Normalerweise hätte ich Rolf sofort um Hilfe gebeten. Glücklicherweise fand die Fledermaus von alleine den Weg ins Freie.
Nach ca. 1½ Wochen hatte ich mich so langsam gefangen und konnte die Zeit ohne Rolf gut nutzen. Die Gefühle von Schmerz und Trennung überwältigten mich nicht mehr ganz so stark und ich gewann an Sicherheit und Selbstvertrauen.
Im Vorfeld meines Klosteraufenthaltes im August tat ich mich durchaus total schwer mit dem Gefühl der Trennung von Rolf. Mir war bewusst, dass ich Rolf jeden Tag vermissen würde und dass ich ihm durch die Übernahme meiner üblichen Aufgaben auch etwas zumutete. Gleichzeitig merke ich aber auch, dass mir die Exerzitien immer wieder gut tun. Ich tue in der Zeit etwas für meine körperliche und geistige Gesundheit. Ich bekomme neue Klarheit und schöpfe neue Kraft. Ich bin Rolf jedes Jahr neu dankbar, dass er mich trotz Trennungsschmerz zu den Exerzitien fahren lässt. Wenn wir uns nach der Trennung wiedersehen, feiern wir immer ein kleines Wiedersehensfest.
Wir laden Euch zum Dialog zu folgenden Fragen ein:
- Ich erinnere mich an eine Zeit, wo ich länger von meinem Partner/meiner Partnerin oder einem anderen lieben Menschen getrennt war. Welche Gefühle kamen in dieser Zeit in mir hoch? Wfim, wenn ich dir das schreibe?
- Was fällt mir besonders schwer, wenn ich von dir getrennt bin?
- Wie nutze ich den zusätzlichen Freiraum, wenn du nicht da bist? Wfim, wenn ich an diese gewonnenen Möglichkeiten denke?
Mit wieder vereinten Grüßen aus Berlin-Spandau
Silke Bährens und Rolf Schudlich
Foto: © Silke Bährens