Siehe zuerst was du bist
und was du kannst und weißt
ehe du bedenkst
was du nicht bist, nicht hast,
nicht weißt und nicht kannst.
Johann Caspar Lavater
Ursula:
Als ich dieses Schild in einer Autobahnraststätte erblickte, musste ich zuerst lachen, wurde dann aber nachdenklich. Denn das ist es, was mir besonders in letzter Zeit fehlt. Es fällt mir schwer an mich zu glauben und zu mir zu stehen. Ich fühle mich oft wie die kleine Katze und gar nicht wie ein starker Tiger. Ich spüre täglich, wie sehr mir die Kraft fehlt, um noch an mich zu glauben. Ich sehe oft nur noch meine Schwächen und das, was ich nicht mehr kann.
Einige Zeit später fand ich den obigen Spruch. Er machte mir Mut und ich forschte in meinem Innersten nach. Ich entdeckte dann doch noch einige Stärken und Fähigkeiten und verglich mich nicht mehr immer mit Anderen, die mehr können. Besonders wichtig für mich ist, mich nicht mit Friedhelm zu vergleichen. Da spüre ich Konkurrenz und fühle mich oft unterlegen. Ich versuche lieber, meine Fähigkeiten und Stärken zu pflegen. Das hilft mir dann, nicht dauernd unzufrieden zu sein.
Friedhelm:
Ich hatte in der Jugendzeit eine Phase mit starken Schwankungen meines Selbstbewusstseins und fühlte mich häufig unsicher. Dann sah ich, wie mein bester
Schulfreund große Erfolge mit kesser Unverfrorenheit hatte und habe das längere Zeit erfolgreich kopiert, bis ich merkte, dass das eigentlich gar nicht zu mir gehörte. Aber da ich mit vielem im Leben guten Erfolg hatte entwickelte ich doch ein gutes Selbstbewusstsein. Ich weiß, dass Ursula sich manchmal davon bedroht fühlt. Ich muss gut aufpassen, sie nicht zu überfahren.
Das ist mir kürzlich mal wieder gründlich misslungen. Als sich beim Gemeindefest unser Pfarrer uns gegenüber an den Tisch setzte und mit uns ins Gespräch kam, machte er zweimal den Ansatz, eine Frage an Ursula zu stellen und beide Male bin ich mit meinem Satz dazwischengekommen, so dass er einen dritten Anlauf nehmen musste. Und ich habe das gar nicht gemerkt. Erst als Ursula mir das am nächsten Morgen erzählte, war ich ganz erschrocken und fühlte mich beschämt. So will ich doch gar nicht sein, aber meine Spontaneität spielt mir oft einen Streich.
Fragen für euren Dialog:
- Was sind meine Fähigkeiten und Stärken? Wfim, wenn ich dir das mitteile?
- Welche Gedanken und Gefühle kommen in mir auf, wenn ich mich dir gegenüber unterlegen fühle?
- Wfim, wenn ich das Schild mit der Aufforderung „Glaube an dich selbst!“ lese?
Seid herzlich gegrüßt von
Ursula und Friedhelm
aus Dinslaken
Foto: © Ursula Krupp