Vom Sterben und Wachsen

Beim Lesen des Sonntagsevangeliums (Joh 12,20-33) haben uns die Sätze: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer sein Leben liebt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“ angesprochen.

Wir glauben, dass wir in unseren Beziehungen so manche Tode sterben. Wir verabschieden uns von dem Bild oder der Illusion, wie unser(e) Traumpartner/in zu sein hat. Oder wir machen bestimmte Dinge dem uns wichtigen Menschen zuliebe. So ziehen wir z. B. in eine andere Stadt oder entscheiden uns für ein Familienauto statt für den Sportwagen. Ihr könntet sicherlich noch viele eigene Beispiele nennen. Das kann manchmal sehr schmerzhaft sein. Erst später merken wir, wie wichtig diese „Tode“ waren.
Wir merken, wie gut es unsere(m/r) Partner/in tat, dass wir uns für etwas ihm/ihr zuliebe entschieden haben. Es entsteht eine neue Verbundenheit und Tiefe in der Beziehung. Es entsteht etwas Neues, Schönes. Da wächst etwas.

Als ich Rolf kennenlernte, wohnte ich noch zu Hause. Ich konnte nicht kochen und konnte mich perfekt vor Hausarbeiten drücken. Ich war überzeugt, dass ich ganz viele Dinge nicht konnte und dieses verschaffte mir viel Freizeit. Rolf hat mir dieses Verhalten nie durchgehen lassen und mich immer wieder liebevoll ermutigt und gefördert. Meine eigene Bequemlichkeit und Faulheit musste sterben. Heute lieben wir es gemeinsam zu kochen und können uns, Freunde und Familie mit unseren Kochkünsten erfreuen.

Rolf träumte immer vom eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung. Ich hatte Angst davor mich zu verschulden. Ich hatte noch nie Schulden. Ich hatte Angst vor der Verantwortung und all dem, was daran hängt, Wohnungseigentümer zu sein. Außerdem hatte ich Angst, dass die Bauarbeiten nicht zu unserer Zufriedenheit laufen würden und wir nachher mehr Probleme haben als vorher. Ganze Horrorfilme spielten sich in meinem Kopf ab. Ich bin unendlich viele Tode gestorben. Rolf bestand liebevoll hartnäckig auf den Erwerb einer Wohnung. Mir zu liebe zogen wir in eine Eigentumswohnung und nicht in ein Haus. Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. Wir haben die Wohnung zu einem Zeitpunkt gekauft, als die Preise und Zinsen noch relativ niedrig waren. Heute ist der Kredit abgezahlt und wir müssen nur noch Hausgeld zahlen. Wir haben eine schöne große Wohnung, die wir uns noch im Alter leisten können. Ich bin gelassen und zufrieden. Es war gut, dass ich damals meine Ängste begraben habe.

Ich, Rolf, bin an der Ostsee groß geworden und liebe das Wasser. Gern wäre ich an der Küste geblieben. Nachdem ich Silke kennengelernt habe, stellte sich die Frage für mich, ob ich nach Berlin ziehen solle. Eigentlich wollte ich nie nach Berlin. Doch wenn wir zusammen sein wollten, gab es einige gute Gründe, dass ich dann nach Berlin gehe. Ich musste mich schweren Herzens von meinem Traum verabschieden an der Küste zu wohnen. Inzwischen habe ich neue Freunde in Berlin gefunden, einige schöne Nischen (Kirche, Kultur, Parks etc.), die eine Großstadt bietet, für mich entdeckt und wir wohnen nicht weit entfernt vom Wasser, nämlich in der Nähe Spree.

Ich bin früher leidenschaftlich gern Motorrad gefahren. Doch als ich das erste Mal Silke einlud mitzufahren, war für mich ihre Angst spürbar. Sie fuhr tapfer ein paar Runden mit. Aber ich merkte sofort, dass Motorrad fahren nicht ihre Leidenschaft ist und sein wird. In der Anfangszeit unseres Kennenlernens behielt ich das Motorrad. Doch als die Wochenendfahrten nach Berlin häufiger wurden, stellte ich fest, dass ich fast keine Zeit mehr für das Motorrad hatte. Und auch Ausfahrten ohne Silke machten nicht mehr so viel Spaß. Also musste ich das Motorradfahren an den Nagel hängen. Heutzutage machen wir gern gemeinsam Fahrradtouren.

Wir laden Euch ein, kurze Notizen zu machen, wann Ihr in Eurer Beziehung oder mit Euch wichtigen Menschen eine Situation von „Wachsen und Sterben“ erfahren habt. Sucht Beispiele.

Wir laden Euch ein zum Dialog zu folgenden Fragen:

  • Wähle aus Deiner Liste ein Beispiel aus. Beschreibe die Situation. Welche konkreten Erfahrungen habe ich gemacht? Wfim, wenn ich heute an die Situation denke?
  • Ich denke an eine Situation, wo es mir schwer gefallen ist, etwas zu lassen. Wie hat sich das angefühlt? Was hat mir geholfen mit der Trauer fertig zu werden? Wfim, wenn ich dir davon schreibe?
  • Ich schaue auf eine Situation bei der mir im Nachhinein klar geworden ist, dass etwas Schönes, Neues gewachsen ist, was ich ohne das Zutun meines Mitmenschen nicht erlebt hätte. Wie hat sich das angefühlt als ich das entdeckt habe? Wfim, wenn ich dir das mitteile?

Herzliche Grüße aus Berlin-Spandau
Silke Bährens und Rolf Schudlich

Foto: © Silke Bährens